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Kein Land für alte Männer

Kein Land für alte Männer

Titel: Kein Land für alte Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cormac McCarthy
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für ein Problem das für sie sein muss. Die Oberhand über etwas zu gewinnen, dessen Existenz anzuerkennen man sich weigert. Verstehen Sie? Als ich in Ihr Leben getreten bin, war Ihr Leben vorbei. Es hatte einen Anfang, eine Mitte und ein Ende. Das ist das Ende. Sie können sagen, dass es anders hätte ausgehen können. Dass es anders hätte verlaufen können. Aber was heißt das? Es ist nicht anders verlaufen. Es ist so verlaufen. Sie verlangen, dass ich den Lauf der Welt verändere. Verstehen Sie?
Ja, sagte sie schluchzend. Das versteh ich. Wirklich.
Gut, sagte er. Das ist gut. Dann erschoss er sie.

Der Wagen, der Chigurh auf der Kreuzung drei Blocks von dem Haus entfernt rammte, war ein zehn Jahre alter Buick, der ein Stoppschild überfahren hatte. Es waren keine Schleuderspuren zu sehen, und der Fahrer hatte keinen Versuch gemacht zu bremsen. Genau solcher Gefahren wegen schnallte sich Chigurh beim Fahren in der Stadt niemals an, und obwohl er das Fahrzeug kommen sah und sich auf die andere Wagenseite warf, wurde er augenblicklich von der eingedrückten Wagenseite getroffen, brach sich an zwei Stellen den Arm und außerdem einige Rippen und trug Schnittwunden am Kopf und am Bein davon. Er kroch zur Beifahrertür hinaus, wankte zum Bürgersteig, setzte sich auf den Rasen vor jemandes Haus und betrachtete seinen Arm. Unter der Haut stach Knochen hervor. Nicht gut. Eine Frau in einem Schürzenkleid kam schreiend angerannt.
Immer wieder lief ihm Blut in die Augen, und er versuchte, klar zu denken. Er hielt sich den Arm, drehte ihn und versuchte zu erkennen, wie kräftig er blutete. Ob die Oberarmarterie verletzt war. Er glaubte es nicht. Ihm dröhnte der Kopf. Keine Schmerzen. Noch nicht.
Zwei Jungen im Teenageralter standen vor ihm und sahen ihn an.
Geht’s, Mister?
Ja, sagte er. Es geht. Lasst mich nur einen Moment da sitzen.
Ein Krankenwagen ist schon unterwegs. Da drüben hat jemand angerufen.
In Ordnung.
Geht’s auch wirklich?
Chigurh sah die beiden an. Was wollt ihr für das Hemd da haben?, fragte er.
Sie sahen einander an. Welches Hemd?
Irgendeins. Wie viel?
Er streckte das Bein aus, griff in die Tasche und holte seinen Geldclip hervor. Ich brauche was, was ich mir um den Kopf wickeln kann, und ich brauche eine Schlinge für den Arm.
Einer der Jungen begann sein Hemd aufzuknöpfen. Warum haben Sie das nicht gleich gesagt, Mister? Sie können mein Hemd haben.
Chigurh nahm das Hemd, hielt es mit den Zähnen fest und zerriss es entlang der Rückennaht. Die eine Hälfte schlang er sich um den Kopf, die andere verdrehte er zu einer Schlinge, in die er den Arm steckte.
Knote sie fest.
Sie sahen einander an.
Knote sie einfach fest.
Der Junge im T-Shirt trat vor, kniete sich hin und verknotete die Schlinge. Der Arm sieht aber nicht gut aus, sagte er.
Mit dem Daumen schob Chigurh einen Schein aus dem Clip, steckte den Clip wieder ein, nahm den mit den Zähnen festgehaltenen Schein, stand auf und hielt ihn dem Jungen hin.
Was soll’s, Mister. Ich hab nichts dagegen, jemand zu helfen. Das ist ein Haufen Geld.
Nimm es. Nimm es, und dafür wisst ihr nicht, wie ich aussehe. Verstanden?
Der Junge nahm den Schein. Ja, Sir, sagte er.
Sie sahen zu, wie er sich, das um den Kopf geschlungene Stück Stoff mit der Hand festhaltend, leicht humpelnd den Bürgersteig entlang in Marsch setzte. Ein Teil davon gehört mir, sagte der andere Junge.
Du hast immer noch dein verdammtes Hemd.
Dafür war das nicht.
Kann schon sein, aber ich hab trotzdem kein Hemd mehr.
Sie gingen auf die Straße, wo dampfend die beiden Fahrzeuge standen. Im Rinnstein bildete sich eine grüne Frostschutzpfütze. Als sie an der offenen Tür von Chigurhs Pick-up vorbeikamen, hielt der im T-Shirt den anderen mit der Hand fest. Siehst du, was ich sehe?, fragte er.
Scheiße, sagte der andere.
Was sie sahen, war Chigurhs Pistole, die vor den Sitzen auf dem Boden lag. In der Ferne konnten sie bereits die Sirenen hören. Nimm sie, sagte der erste. Mach schon.
Wieso ich?
Ich hab kein Hemd, das ich drüberziehen kann. Mach schon. Beeil dich.

Er stieg die drei Holzstufen zur Veranda hinauf und klopfte mit dem Handrücken leicht gegen die Tür. Dann nahm er den Hut ab, drückte sich den Hemdsärmel kurz gegen die Stirn und setzte den Hut wieder auf.
Herein, rief eine Stimme.
Er öffnete die Tür und trat in die kühle Dunkelheit. Ellis?
Ich bin da hinten. Komm nur.
Er ging nach hinten durch in die Küche. Der Alte saß in seinem Rollstuhl am Tisch. Der Raum roch nach

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