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Kein Land für alte Männer

Kein Land für alte Männer

Titel: Kein Land für alte Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cormac McCarthy
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altem Bratfett und abgestandenem Holzrauch vom Ofen, und über allem lag ein leichter Uringestank. Wie der Geruch von Katzen, aber auch noch von etwas anderem. Bell stand in der Tür und nahm seinen Hut ab. Der Alte blickte zu ihm auf. Ein getrübtes Auge von einem Cholla-Stachel, als ihn vor Jahren ein Pferd abgeworfen hatte. Hey, Ed Tom, sagte er. Ich hab nicht gewusst, dass du’s bist.
Wie kommst du zurecht?
Das siehst du ja. Bist du allein?
Ja, Sir.
Setz dich. Willst du Kaffee?
Beck betrachtete das Durcheinander auf dem karierten Wachstuch. Arzneifläschchen. Brotkrumen. Ausgaben von Quarter Horse. Nein danke, sagte er. Sehr nett von dir.
Ich hab einen Brief von deiner Frau gekriegt.
Du kannst sie ruhig Loretta nennen.
Ich weiß. Hast du gewusst, dass sie mir schreibt?
Ich hab gewusst, dass sie dir ein-, zweimal geschrieben hat.
Es ist öfter als ein-, zweimal. Sie schreibt ziemlich regelmäßig. Berichtet mir die Familienneuigkeiten.
Ich hab gar nicht gewusst, dass es welche gibt.
Du würdest dich wundern.
Was war denn nun Besonderes an dem Brief?
Sie hat mir bloß erzählt, dass du aufhören willst, das ist alles. Setz dich.
Der Alte wartete nicht ab, ob Bell seiner Aufforderung nachkam. Er ging dazu über, sich aus einem neben ihm liegenden Tabaksbeutel eine Zigarette zu drehen. Er befeuchtete das Ende mit dem Mund, drehte sie herum und zündete sie mit einem alten, bis aufs blanke Metall abgewetzten Zippo-Feuerzeug an. Beim Rauchen hielt er die Zigarette wie einen Bleistift zwischen den Fingern.
Geht’s dir gut?, fragte Bell.
Mir geht’s gut.
Er verschob den Rollstuhl leicht zur Seite und betrachtete Bell durch den Zigarettenrauch. Du siehst allerdings älter aus, sagte er.
Ich bin ja auch älter.
Der Alte nickte. Bell hatte einen Stuhl herangezogen, setzte sich und legte seinen Hut auf den Tisch.
Kann ich dich mal was fragen?, sagte er.
Nur zu.
Was hast du im Leben am meisten bedauert?
Der Alte sah ihn an, wog die Frage ab. Ich weiß nicht, sagte er. So viel bedauere ich eigentlich gar nicht. Ich könnt mir viele Sachen vorstellen, die einen vielleicht glücklicher machen würden. Gehen zu können war zum Beispiel eine davon. Du kannst dir selber eine Liste machen. Vielleicht hast du ja schon eine. Ich glaub, wenn man erst mal erwachsen ist, ist man so glücklich, wie man jemals wird. Man erlebt gute Zeiten und schlechte Zeiten, aber unterm Strich ist man so glücklich wie vorher. Oder so unglücklich. Ich hab Leute gekannt, die haben den Dreh einfach nie rausgekriegt.
Ich weiß, was du meinst.
Ich weiß.
Der Alte rauchte. Wenn du wissen willst, was mich am unglücklichsten gemacht hat, dann, glaub ich, weißt du die Antwort schon.
Ja, Sir.
Und es ist nicht der Stuhl da. Und das kaputte Auge auch nicht.
Ja, Sir. Ich weiß.
Wenn man sich drauf einlässt, denkt man wahrscheinlich, man hat zumindest eine gewisse Vorstellung, worauf man sich da eingelassen hat. Aber vielleicht ist das gar nicht so. Oder man ist belogen worden. In dem Fall würd einem wahrscheinlich kein Mensch einen Vorwurf machen. Wenn man dann aufhört. Aber wenn’s nur so ist, dass es ein bisschen rauer zugeht, als man sich das gedacht hat – tja, das ist dann was anderes.
Bell nickte.
Bei manchen Sachen lässt man’s wohl besser nicht drauf ankommen.
Da hast du vermutlich recht.
Was müsste passieren, dass Loretta stiften geht?
Ich weiß nicht. Ich glaub, da müsst ich schon einen ziemlichen Blödsinn machen. Jedenfalls ganz bestimmt nicht bloß deshalb, weil es ein bisschen rauer zugeht. Das hat sie nämlich schon ein-, zweimal erlebt.
Ellis nickte. Er schnippte die Asche von seiner Zigarette in einen Marmeladenglasdeckel auf dem Tisch. Das glaub ich dir aufs Wort, sagte er.
Bell lächelte. Er sah sich um. Wie frisch ist denn der Kaffee?
Ich denke, man kann ihn trinken. Normalerweise mach ich einmal die Woche frischen, auch wenn noch was übrig ist.
Bell lächelte erneut, stand auf, ging mit der Kanne zur Anrichte und steckte den Stecker in die Steckdose. Sie saßen am Tisch und tranken Kaffee aus denselben angestoßenen Porzellanbechern, die schon vor Bells Geburt im Haus gewesen waren. Bell betrachtete seinen Becher und ließ den Blick dann durch die Küche wandern. Tja, sagte er. Manche Sachen ändern sich nie, schätz ich.
Zum Beispiel?, fragte der Alte.
Ach, ich weiß nicht.
Ich auch nicht.
Wie viele Katzen hast du?
Mehrere. Kommt drauf an, was du unter haben verstehst. Manche sind halb wild, und die anderen sind einfach

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