Kein Lord wie jeder andere (German Edition)
mein Bruder.«
»Nichts anderes hat sie gesagt!«, versetzte Katie schnippisch.
Mac wandte den Blick ab, betrachtete die Vorbeigehenden und die Künstler, die sich mühten, das auf die Leinwand zu bringen, was sie sahen. Als er den Blick wieder auf Beth richtete, bemerkte sie überrascht, dass seine Augen feucht waren.
»Nehmen Sie Ihren Wachhund an die Leine, Mrs Ackerley. Sie sagen, Sie können nicht malen. Möchten Sie, dass ich Ihnen Unterricht gebe?«
»Als Belohnung für meine Grobheiten?«
»Sie würden mir eine Freude machen.«
Verblüfft sah sie ihn an. »Aber die Leute reißen sich um Ihre Bilder. Warum sollten Sie einer Anfängerin wie mir Unterricht geben?«
»Der Kurzweil halber. Paris langweilt mich.«
»Ich finde es aufregend. Warum sind Sie hier, wenn es Sie langweilt?«
Mac zuckte die Achseln, eine Geste, die sie an Ian erinnerte. »Als Künstler hat man einfach in Paris zu sein.«
»Dann müssen Sie wohl hierbleiben!«
In seinem Gesicht zuckte es. »Hier begegne ich Menschen mit wahrem Talent, denen helfe ich.«
»Ich habe überhaupt kein Talent.«
»Trotzdem.«
»Außerdem gäbe es Ihnen Gelegenheit herauszufinden, warum sich Lord Ian mit jemandem wie mir abgibt«, schlug sie vor.
Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, und Beth konnte sich gut vorstellen, dass ihm wegen dieses umwerfenden Lächelns die Damenwelt zu Füßen lag. »Wäre ich denn dazu imstande, Mrs Ackerley?«
»Davon bin ich fest überzeugt, Mylord. Also schön, ich nehme Ihr Angebot an.«
Mac stand auf und hob seinen Hut vom Boden auf. »Seien Sie morgen um zwei Uhr hier, wenn es nicht gerade regnet.« Mit dem Hut in der Hand verneigte er sich vor Beth. »Einen guten Tag, Mrs Ackerly. Und für Ihren Wachhund auch.«
Er setzte den Hut auf und ging mit schwungvollen Schritten von dannen. Jede Frau drehte sich nach ihm um.
Katie fächelte sich mit Beths Skizzenbuch Luft zu. »Er ist ein gut aussehender Mann. Auch wenn er unhöflich ist.«
»Ich muss zugeben, dass er mich interessiert«, sagte Beth.
Warum er mehr über sie in Erfahrung bringen wollte, vermochte sie nicht zu sagen, doch Beth nahm sich vor, alles über Lord Ian herauszufinden.
Sie sind viel zu neugierig, mein Liebchen , pflegte Mrs Barrington zu ihr zu sagen. Das schickt sich nicht für eine junge Dame.
Eigentlich war Beth auch dieser Meinung. Und eigentlich hatte sie sich geschworen, keinen weiteren Kontakt mit den MacKenzies zu pflegen – und dennoch hatte sie gerade in eine Verabredung mit Mac eingewilligt, um mehr über dessen jüngeren Bruder herauszufinden. Insgeheim musste sie lächeln, denn sie konnte den kommenden Nachmittag kaum abwarten.
Doch als Beth am folgenden Tag in Montmartre auf dem Hügel wartete, die Sonne vom Himmel lachte und die Turmuhr zwei schlug, war von Lord Mac nichts zu sehen.
4
»Wissen Sie nun, was ich meine?«, fragte Katie nach einer Viertelstunde vergeblichen Wartens. »Keine Manieren.«
Beth versuchte, ihre Enttäuschung zu verbergen. Gern hätte sie Katie aus vollem Herzen zugestimmt und ihn mit ein paar deftigen Ausdrücken bedacht, die ihr aus der Zeit im Armenhaus im Gedächtnis geblieben waren, aber sie hielt sich zurück.
»Ich kann nicht erwarten, dass er an solche Kleinigkeiten denkt, wie mir Unterricht zu geben.«
Katie schnaubte. »Sie sind jetzt eine bedeutende Dame. Und er hat kein Recht, uns so zu behandeln.«
Beth rang sich ein Lachen ab. »Hätte Mrs Barrington mir nur zehn Schilling vermacht, würdest du mich auch nicht für eine bedeutende Dame halten.«
Unwirsch winkte Katie ab. »Selbst mein Vater hatte bessere Manieren als er, und dabei war er die meiste Zeit betrunken.«
Mit betrunkenen Vätern kannte sich Beth aus, also schwieg sie. Als sie den Blick erneut über den Platz schweifen ließ, spürte sie den Blick der schönen, jungen Rothaarigen auf sich, über die sie und Katie gestern Mutmaßungen angestellt hatten.
Die Dame sah sie lange und nachdenklich an. Beth reagierte darauf, indem sie die Brauen hob.
Daraufhin nickte die Dame energisch und kam zu ihnen hinüber. »Darf ich Ihnen einen Rat geben, meine Liebe?«, wandte sie sich sogleich an Beth. Sie sprach ein kultiviertes britisches Englisch. Ihr ovales Gesicht war blass, und auf dem gelockten roten Haar thronte ein schräg sitzender Hut. Ihre großen grünen Augen waren fragend auf Beth gerichtet, die auch dieses Mal spürte, welche Faszination von dieser Frau ausging.
»Falls Sie auf Seine Lordschaft Mac
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