Kein Lord wie jeder andere (German Edition)
Ecke und waren außer Sicht.
»Und was ist mit ihm? Er sieht wie ein Künstler aus.«
Beth folgte Katies Blick und erstarrte.
Der Mann hatte keine Staffelei dabei, er lümmelte auf einer Bank und beobachtete misslaunig, wie ein nervöser junger Mann Farbe auf eine Leinwand kleckste. Er war so groß, dass ihm die grazile Steinbank kaum genug Platz bot. Sein dunkles Haar hatte einen Rotschimmer, sein Gesicht war kantig, und er hatte auffallend breite Schultern.
Beth rang nach Atem, doch der Mann war nicht Lord Ian MacKenzie, auch wenn er große Ähnlichkeit mit ihm hatte. Wie Ian strahlte auch er Macht aus, allein schon durch seinen abweisenden Gesichtsausdruck und das markante Kinn. Der Mann hatte seinen Hut neben sich auf die Bank gelegt, und im Sonnenlicht schimmerte sein Haar rötlich.
Bestimmt war auch er ein MacKenzie. Beth hatte in der Zeitung gelesen, dass Hart, der Herzog von Kilmorgan, für die Regierung nach Rom gereist war. Lord Cameron hatte sie bereits in London kennengelernt, also konnte dieser Mann nur Lord Mac sein, der berühmte Maler.
Als hätte er ihren Blick gespürt, wandte sich Lord Mac um und sah sie an.
Beth errötete und schaute sofort wieder auf ihr leeres Blatt. Schwer atmend setzte sie den Stift an und zog eine unbeholfene Linie. Sie konzentrierte sich ganz auf das Zeichnen, bis ein Schatten auf die Leinwand fiel.
»So doch nicht«, dröhnte eine tiefe Stimme.
Beth fuhr zusammen und sah an einer Weste aus Moiré und einer nachlässig gebundenen Krawatte vorbei in ein harsches Paar Augen, die Ians nicht unähnlich waren. Doch im Gegensatz zu Ian wich Mac ihrem Blick nicht aus wie ein schwer zu fangender Sonnenstrahl.
»Sie halten den Stift ganz falsch.« Lord Mac legte seine große behandschuhte Hand über ihre und drehte ihr Handgelenk nach oben.
»Das fühlt sich seltsam an.«
»Daran gewöhnt man sich schnell.« Mac setzte sich neben sie und nahm die restliche Bank in Beschlag. »Ich zeige es Ihnen.«
Er führte ihre Hand, übermalte ihre Linie auf dem Papier, bis sie die Gestalt des Baumes vor ihr annahm.
»Unglaublich«, sagte sie. »Wissen Sie, ich habe nie Zeichenunterricht genommen.«
»Was machen Sie dann hier mit einer Staffelei?«
»Ich wollte es einmal probieren.«
Mac hob die Brauen, ließ seine Hand jedoch auf ihrer und half ihr bei einer weiteren Linie.
Er flirtete mit ihr! Sie war allein und wurde nur von ihrem Mädchen begleitet, sie hatte ihn schamlos angestarrt, und immerhin war das hier Paris. Da musste er ja geglaubt haben, dass sie auf eine Liaison aus war.
Wenn Beth eines nicht wollte, dann einen weiteren MacKenzie, der ihr Avancen machte. Vielleicht würden die Zeitungen dann schreiben, wie Ian und Mac um sie stritten.
Doch diese Hand löste keine heißen Schauder bei ihr aus, nicht so wie Ians. Jede Nacht träumte sie von Ians sinnlichen Lippen, dann erwachte sie schweißgebadet, verstrickt in ihre Laken und mit einem unerfüllten Verlangen.
Sie sah Mac von der Seite an. »Ich habe Ihren Bruder Ian letzte Woche in Covent Garden in der Oper kennengelernt.«
Sein Blick flog zu ihr. Im Gegensatz zu Ian waren seine Augen weniger golden, eher kupferfarben mit braunen Flecken. »Sie haben Ian kennengelernt?«
»Ja, er hat mir eine große Gefälligkeit erwiesen. Lord Cameron bin ich auch begegnet, doch nur kurz.«
Mac kniff die Augen zusammen. »Ian ist Ihnen gefällig gewesen?«
»Er hat mich vor einem großen Fehler bewahrt.«
»Was für ein Fehler?«
»Nichts, was ich auf dem Hügel von Montmartre zu erörtern wünsche.«
»Warum nicht? Wer zum Henker sind Sie?«
Katie, die auf der anderen Seite von Beth saß, beugte sich vor. »Das ist ja wohl eine Unverschämtheit.«
»Still, Katie. Ich bin Mrs Ackerley.«
Mac machte ein finsteres Gesicht. »Nie gehört. Wie sind Sie denn an meinen Bruder geraten?«
Katie funkelte Mac böse an. »Sie ist eine Erbin, verflixt und zugenäht. Und eine Dame, die sich von fremden Männern im Park keine Frechheiten bieten lassen muss.«
»Katie«, mahnte Beth leise. »Verzeihen Sie, Mylord.«
Macs Blick wanderte von Katie zurück zu Beth. »Sind Sie sicher, dass es Ian war?«
»Zumindest wurde er mir als Lord Ian MacKenzie vorgestellt«, sagte Beth. »Natürlich hätte er auch ein gut getarnter Schwindler sein können, doch der Gedanke ist mir ehrlich gesagt nicht gekommen.« Von ihrem Humor ließ sich Mac nicht beeindrucken. »Und er hat mich nie richtig angesehen.«
Mac ließ ihre Hand los. »Dann war es
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