(K)ein Mann für die Ewigkeit?
begannen, Issys Wangen hinabzulaufen.
„Weine nicht, Issy. Glaub mir, das ist es nicht wert. Sobald du das begreifst, wirst du mir dankbar sein.“
4. KAPITEL
In der Gegenwart
Issy löste ihre Finger, die sich fest in ihre Aktentasche gekrallt hatten.
Warum konnte sie sich so lebhaft an jedes Detail jener Nacht erinnern? Nicht nur an die Verzweiflung und den Schmerz, sondern auch an die Hoffnung und die Euphorie, sogar an die Lust, die sie empfunden hatte, während sie sich liebten, erinnerte sie sich. Wie oft hatte sie sich in den folgenden Monaten und Jahren daran erinnert? Hundertmal? Tausendmal?
Auf alle Fälle viel zu oft.
Sie zwang sich, den Stich im Herzen zu ignorieren, als sie an Gios Abschiedsworte dachte. Seine Worte konnten ihr nicht wehtun. Nicht mehr. Ihre Tränen waren schon lange getrocknet.
Mit einer Sache hatte Gio recht gehabt. Sie musste ihm dankbar sein. Er hatte sie eine wichtige Lektion gelehrt: Man durfte sein Herz niemals jemandem öffnen, bevor man nicht absolut sicher war, dass er der Prinz war und nicht der Frosch. Und dass man sich von einer schönen Hülle nicht täuschen lassen durfte.
„Gleich sind wir da“, rief Frank ihr vom Vordersitz aus zu. „Wirst staunen, was der Kerl aus dem Haus gemacht hat. Ganz schön beeindruckend. Muss ein Vermögen gekostet haben.“
Issy atmete tief durch. Keine alten Geschichten mehr. Das, was sie vorhatte, würde ohnehin schon schwer genug werden.
Als sie einen Blick aus dem Fenster warf, festigte sich ihr Griff um die Aktentasche wieder.
Beeindruckend war untertrieben. Atemberaubend hätte es eher getroffen, dachte Issy, als sie aus dem Taxi stieg und ihr ehemaliges Zuhause anstarrte. Gio hatte das Herrenhaus nicht nur restauriert, er hatte es vollkommen gemacht. Es sah prächtig aus. Die helle, sandgestrahlte Fassade glitzerte in der Sonne. Und die neu erbaute Terrasse gab den Säulen, die früher so abweisend gewirkt hatten, nun ein einladendes mediterranes Flair.
Nach dem missglückten Versuch, Frank dazu zu überreden, Geld anzunehmen, winkte sie ihm.
Nachdem das Taxi fortgefahren war, sah sie wieder zum Herrenhaus hinüber. Warum schüchterte Gios Umbau von Hamilton Hall sie noch mehr ein?
Denk dran, es geht nicht um dich, um Gio oder um das Herrenhaus. Es geht um das Theater.
Weitere Erinnerungen an die Vergangenheit konnte sie sich nicht erlauben. Sie hatte mit der Vergangenheit abgeschlossen, und dabei musste es bleiben.
„Hallo, kann ich Ihnen helfen?“
Sie wandte sich um und sah einen jungen Mann auf sich zukommen. Ihre Hand schloss sich um den Gurt ihrer Tasche.
Vorhang auf.
„Hallo, mein Name ist Isadora Helligan“, sagte sie und streckte ihm ihre Hand entgegen. „Ich bin hier, um Giovanni Hamilton zu treffen.“
Der Mann blieb vor ihr stehen, fuhr sich mit den Fingern durchs blonde Haar und lächelte sie skeptisch an. „Hallo, Jack Bradshaw.“ Er nahm ihre Hand und schüttelte sie herzlich. „Ich bin Gios Assistent. Ich kümmere mich um seine Termine, aber …“ Er hielt inne und sah sie fragend an. „Haben Sie einen Termin mit ihm gemacht?“
Nicht wirklich.
„Ja“, log sie. „Gio hat ihn letzte Woche mit mir vereinbart. Wahrscheinlich hat er vergessen, Ihnen Bescheid zu sagen.“
Falls Gio sie hinauswerfen wollte, würde er das selber erledigen müssen.
„Kein Problem“, antwortete Jack. „Das wäre nicht das erste Mal. Große Geister übersehen gerne die Kleinigkeiten.“ Er zeigte auf das Herrenhaus. „Seine Sitzung mit den Gemeindeplanern auf der Terrasse am Pool müsste jetzt zu Ende sein. Ich werde Sie hinbringen.“
Während sie neben Jack herging, war Issy so sehr damit beschäftigt, all die Veränderungen zu bestaunen, die Gio an dem Haus vorgenommen hatte, dass sie völlig vergaß, darüber nachzudenken, was sie tun und sagen wollte.
Wie hatte er es bewerkstelligt, so viel Licht ins Innere des Hauses zu bringen? Und wieso sah alles so offen und geräumig aus, wo es doch früher so eng und karg gewirkt hatte?
Als sie mit Jack aus dem Haus heraustrat und Gio auf der Terrasse sah, wurde sie wieder nervös. Groß, attraktiv und imposant stand er in grauen Leinenhosen und legerem Hemd auf der anderen Seite des leeren Pools und sprach mit einer Gruppe von Männern in schlecht sitzenden Anzügen, die allesamt kleiner waren als er. Als würde er spüren, dass sie hier stand und ihn anstarrte, wandte er sich um. Sie meinte, den erhitzten Blick, mit dem er sie streifte, fühlen zu
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