Kein Mann für eine Nacht: Roman (German Edition)
mit guten Umgangsformen. Sie hätte jede Wette gehalten, dass er das Machoimage gern losgeworden wäre. Vielleicht mochte sie ihn deswegen, weil sie sich beide nicht wohl in ihrer Haut fühlten.
Nach ihrer Rückkehr ins Hotel trennte Simon sich von ihnen, und Kissy und Fleur machten sich auf den Weg zu Barrys Suite. Nach der Party war saubergemacht worden, Barry hatte sich wieder eingefunden und stapfte nervös über den frisch gesaugten Teppich. Er war so froh, Kissy wiederzusehen, dass er ihr jede noch so schamlose Lüge von wegen Verspätung und so glaubte. Fleur nahm er anfangs gar nicht wahr. Mit einem vielmeinenden Blick zur Schlafzimmertür gab er ihr irgendwann zu verstehen, dass sie nicht länger erwünscht war. Fleur stellte sich dumm.
Kissy neigte sich vor und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Plötzlich mischte sich unbeschreiblicher Abscheu in Barrys Züge. Und Kissy schaute schuldbewusst zu Boden.
Barry blickte abwechselnd von Fleur zu Kissy. »Was ist das?«, brüllte er. »Eine verdammte Epidemie?«
Als Kissys zweiwöchiger Urlaub von der Galerie endete, brachte Fleur sie zum Flughafen Heathrow und versprach ihr unter Tränen, sie am Abend auf Parker Daytons Rechnung anzurufen. Nach ihrer Rückkehr ins Hotel war sie zum ersten Mal in ihrem neuen Job tief niedergeschlagen. Sie vermisste Kissys quirligen Humor und ihren mitrei ßenden Lebenshunger.
Ein paar Tage darauf meldete Parker sich telefonisch bei ihr. Er wollte, dass sie in New York für ihn arbeitete, und zwar für das Doppelte ihres derzeitigen Gehalts. Panisch hängte sie auf und rief Kissy in der Galerie an.
»Ich weiß nicht, wieso du dich so aufregst, Fleurinda«, meinte Kissy. »Du telefonierst zwei- bis dreimal täglich mit ihm, und er ist wie alle Beteiligten beeindruckt von deiner Leistung. Er mag ein ekliger Schleimer sein, aber er ist nicht blöd.«
»Ich … ich kann noch nicht wieder nach New York zurück. Ich bin noch nicht so weit.«
Ein gedämpftes Schnauben drang über dreitausend Meilen durch die Leitung. »Fang jetzt nicht an zu jammern, ja? Selbstmitleid killt deinen Sexualtrieb.«
»Mein Sexualtrieb ist nicht existent.«
»Vergiss es. Was hab ich dir gesagt?«
Fleur spielte nervös mit dem Telefonkabel. »So einfach ist das nicht, Kissy.«
»Du kannst die Uhr nicht zurückdrehen. Die schöne Zeit in Deutschland ist vorbei, Fleurinda. Hey, versteck dich nicht dauernd. Und sieh endlich mal nach vorn.«
Wie Kissy das sagte, klang es so einfach. Aber wie lange würde Fleur in New York von der Presse unentdeckt bleiben? Zudem konnte sie Parker nicht ausstehen. Was, wenn es mit dem Job bei ihm nicht klappte? Was sollte sie dann machen?
Ihr Magen knurrte, weil sie seit gestern Abend keinen Bissen mehr angerührt hatte. Das brachte der Job so mit sich. Ihre Jeans schlabberte ihr bereits um die Hüften, und ihr Haar reichte ihr wieder über die Ohren. Ihr Job hatte sie verändert.
Sie hängte auf und schlenderte zu dem Hotelfenster, von wo aus sie die nass glänzende Glasgow Street überblickte. Ein Jogger winkte im strömenden Regen einem Taxi. Früher war sie eine ehrgeizige Läuferin gewesen, bei Wind und Wetter unterwegs. Die Tüchtigste, die Schnellste, die Stärkste … Inzwischen würde sie vermutlich keinen Häuserblock mehr schaffen, ohne anzuhalten und nach Luft zu japsen.
»He, Fleur, hast du Kyle gesehen?« Es war Frank, der bereits um neun Uhr morgens eine Dose Budweiser in der Hand schwenkte. Fleur schnappte sich ihren Parka und schob sich an ihm vorbei. Sie stürmte durch den Gang in den Aufzug und vorbei an den elegant gekleideten Geschäftsleuten in der Hotelhalle.
Es war Januar, und es regnete Eisgraupel. Als sie die Straßenecke erreichte, verharschte er bereits ihre Haarspitzen und den Rand der Kapuze. Sie rutschte in ihren billigen Sportschuhen. Sie hatten kein Polster und nicht die entsprechende Stütze für ihre Füße.
Sie zog die Hände aus den Manteltaschen und betrachtete den eisgrauen Himmel. Ein Häuserblock erstreckte sich vor ihr. Nur ein Block. Würde sie wenigstens diesen einen kurzen Straßenzug schaffen?
Sie fing an zu laufen.
18
Kissys Apartment lag über einem italienischen Restaurant im Village. Die Einrichtung passte zu ihr: knallige Bonbonfarben, eine Sammlung von Stoffteddybären, auf der Badezimmertür klebte ein Poster von Tom Selleck. Als Kissy ihrer Freundin zeigte, wie die provisorische Dusche funktionierte, entdeckte Fleur einen knallpinken Lippenstiftabdruck
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