Kein Mann für eine Nacht: Roman (German Edition)
hergekommen.« Sie ließ die Puderdose aufschnappen. »Ich wüsste nicht, was ich mit Monsieur Savagar zu bereden hätte. Ich möchte mit meiner Mutter sprechen. Wenn er das nicht billigt, reise ich umgehend ab.«
Damit hatte der distinguierte Angestellte nicht gerechnet. Nach kurzem Überlegen nickte er. »Also gut, dann bringe ich Sie zu ihr.«
»Ich finde den Weg schon selbst.« Fleur steckte die Puderdose wieder in ihre Handtasche, schob sich an ihm vorbei in den Flur und lief erneut die breite Treppe hoch. Der Mann von vorhin tauchte wie aus dem Nichts vor ihr auf, machte aber keinerlei Anstalten, sie aufzuhalten. Sie stapfte an ihm vorbei, als wäre er Luft für sie.
Vor nahezu sieben Jahren hatte sie dem Stadtpalais an der Rue de la Bienfaisance den Rücken gekehrt. In der Zwischenzeit hatte sich nichts verändert. Weiche Perserteppiche dämpften ihre Schritte, und die Madonnen auf den kostbaren, goldgerahmten Gemälden aus dem fünfzehnten Jahrhundert rollten weiterhin die Augen himmelwärts. In diesem Haus wurde die Zeit in Jahrhunderten gemessen, während die Jahrzehnte unbemerkt verstrichen.
Während sie durch die weitläufigen, stillen Flure ging, stellte sie sich vor, wie sie mit Jake leben wollte. Auf jeden Fall in einem großen, hellen Haus, in dem die Türen knallten und die Bodendielen knarrten, mit Treppengeländern, wo Kinder hinunterrutschen konnten. Ein Haus voller Leben, in dem immer irgendetwas los war. Jake als Vater ihrer Kinder … ihrer gemeinsamen Kinder. Anders als Alexi würde Jake toben, wenn er wütend wäre. Er würde seine Kinder aber auch umarmen und herzen und sie vor allen Widrigkeiten des Lebens beschützen.
Wieso zögerte sie noch? Ihn zu heiraten war immerhin ihr Herzenswunsch. Inzwischen hatte sie ihn durchschaut und wusste ihn zu nehmen. Er würde es künftig schwer haben, ihr etwas vorzumachen. Und sich auf Kompromisse einzulassen kam ihr gar nicht erst in die Tüte. Sie wollte weder ihre Karriere an den Nagel hängen noch das patente Hausmütterchen spielen. Das wäre ja noch schöner. Und aus seinem Leben ausgrenzen ließe sie sich auch nicht mehr.
In dem gruftartig kalten Haus an der Rue de la Bienfaisance verloren sich ihre letzten Zweifel. Sie hätte sich keinen besseren Mann als Vater ihrer Kinder vorzustellen vermocht. Fleur nahm sich fest vor, Jake noch am selben Abend anzurufen und ihm das zu gestehen.
Sie hatte Belindas Suite erreicht und konzentrierte sich hastig wieder auf die Gegenwart. Nachdem sie geklopft hatte, dauerte es noch einen Moment, bis sie ein Geräusch vernahm. Die Tür wurde vorsichtig geöffnet, und Belinda lugte durch den Spalt. »Baby?« Ihre Stimme klang belegt, als hätte sie eine ganze Weile nicht gesprochen. »Du bist tatsächlich gekommen? Ich … ich bin am Ende, Baby. Ich hätte nicht gedacht …« Ihre Finger flatterten wie ein kleiner Vogel, als sie sich mit der Hand über die Wange strich.
»Du hättest nicht gedacht, dass ich komme.«
Belinda schob sich eine wirre Haarsträhne aus der Stirn. »Ich … ich war mir unschlüssig. Schließlich habe ich keinerlei Berechtigung, dich um irgendetwas zu bitten.«
»Darf ich reinkommen?«
»Oh … ja. Ja, natürlich.« Sie trat beiseite. Als die Tür hinter ihr zuschnappte, gewahrte Fleur, dass ihre Mutter statt des Shalimars nach kaltem Zigarettenrauch roch. Anders als früher, denn da war Belinda wie ein schriller Paradiesvogel in den Konvent geschwebt, eingehüllt in eine süße Duftwolke, die den muffigen Klostermief überlagert hatte.
Belindas Make-up war zerlaufen, in ihren Augenfalten schimmerte ein Rest von ölig glänzendem, blauem Lidschatten. Ihr Teint wirkte blass in dem safrangelben Seidenkaftan, der arg zerknittert war. Fleur bemerkte einen Fleck auf dem Oberteil, und auf der zerschlissenen Vortasche war ein Loch, als hätte sie es mit einer Zigarette hineingebrannt. Wieder fuchtelte Belinda mit der Hand in ihrem Gesicht herum. »Ich geh mich mal kurz frischmachen. Ich wollte immer hübsch für dich sein. Früher hast du mich mal bewundert.«
Fleur fasste die Hand ihrer Mutter. Sie fühlte sich winzig an, wie eine Kinderhand. »Setz dich und erzähl mir, was passiert ist.«
Belinda gehorchte wie ein folgsames, kleines Mädchen. Sie zündete sich eine Zigarette an und erzählte Fleur mit dünner, gepresster Stimme von Alexis Drohung, sie in ein Sanatorium zu stecken. »Ich rühre schon seit langem keinen Tropfen Alkohol mehr an, Baby. Er weiß das, aber er benutzt
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