Kein Mann für eine Nacht: Roman (German Edition)
Zuwendung schenkte, die ihm seine Eltern vorenthielten.
Solange war es auch gewesen, die einen Kompromiss zwischen den beiden herbeigeführt hatte. Danach sollte Belinda sich mit Michel in der Öffentlichkeit zeigen, wobei sie im Gegenzug zweimal jährlich ihre Tochter besuchen durfte. Dies hatte jedoch nichts an der Tatsache geändert, dass seine Mutter ihn emotional ablehnte. Er sei halt das Kind seines Vaters. Und Alexi lehnte ihn ebenfalls ab, nachdem er festgestellt hatte, dass Michel nicht so war wie er.
Der ganze Ärger hing mit seiner Schwester zusammen, der geheimnisvollen Fleur. Aber Michel konnte bitten und betteln, seine Großmutter erzählte ihm nicht, wieso Fleur in jenem klösterlichen Internat leben musste. Womöglich wusste die alte Dame gar nicht warum, schwante ihm schließlich.
Michel verließ die Garage und ging zu seinen Räumen auf dem Dachboden. Er hatte seine Sachen nach und nach dorthin gebracht, so dass sich mittlerweile niemand mehr genau entsinnen konnte, wie es gekommen war, dass der Erbe des Savagar-Vermögens in den früheren Dienstbotenunterkünften wohnte.
Er legte sich auf sein Bett und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Ein weißer Fallschirm schwebte wie ein Baldachin über dem schmalen Messinggestell. Er hatte den Fallschirm in einem Armeeladen gekauft, nicht weit von der Schule, die er besuchte. Michel liebte es, wenn die seidige Glocke im Luftzug über ihm sich bauschte. Dann fühlte er sich behütet wie im Mutterleib.
An den weiß gestrichenen Wänden hatte er seine kostbare Fotosammlung aufgereiht. Lauren Bacall in Helen Roses klassischem rotem Bleistiftkleid aus Warum hab ich bloß ja gesagt?. Carroll Baker, die in Die Unersättlichen in einem Edith-Head-Modell, einem Traum aus Perlen und Straußenfedern, an einem Kronleuchter schwang. Über seinem Schreibtisch hing eine Aufnahme von Rita Hayworth als Gilda in Jean Louis’ berühmter Robe, daneben posierte Shirley Jones in dem herrlich verruchten rosafarbenen Unterkleid, das sie in Elmer Gantry getragen hatte. Die Frauen und ihre wundervollen Kostüme inspirierten ihn.
Er nahm sich seinen Skizzenblock und zeichnete ein großes, überschlankes Mädchen mit dichten Augenbrauen und üppigen Lippen. Sein Telefon klingelte. Es war André. Michels Finger umkrampften nervös den Hörer.
»Ich hab eben erst das Schreckliche mit deiner Großmutter erfahren«, sagte André. »Mein aufrichtiges Beileid. Es ist sicher unendlich traurig für dich.«
Michel schluckte schwer, als er die warme, mitfühlende Stimme seines Freundes hörte.
»Kannst du heute Abend kurz weg? Ich … ich möchte dich sehen. Ich möchte dich trösten, chéri .«
»Ich werd’s versuchen«, sagte Michel leise. »Du fehlst mir.«
»Du mir auch. England war die Hölle, aber Danielle wollte unbedingt noch übers Wochenende bleiben.«
Andrés Frau war für Michel ein wunder Punkt. Aber André würde sie ohnehin verlassen, und dann wollten sie nach Südspanien ziehen und in einem kleinen Fischerhaus wohnen. Morgens würde Michel die Terrakottafliesen fegen, die Kissen aufschütteln, Keramiktöpfe mit Pflanzen kultivieren und Flechtkörbe mit reifen Früchten dekorieren. Nachmittags würde er, während André ihm Gedichte vorlas, wunderschöne Kleider auf seiner Nähmaschine zaubern. Das Nähen hatte er sich selbst beigebracht. Und nachts würden sie sich lieben, untermalt vom leisen Rauschen der Wellen, die sich auf dem sandigen Strand vor ihrem Fenster brachen. Davon träumte Michel.
»Ich könnte dich in einer Stunde treffen«, murmelte er.
»Abgemacht, in einer Stunde. Je t’adore, Michel «, fügte André mit kehliger Stimme hinzu.
Michel blinzelte die Tränen zurück. »Ich liebe dich, André.«
Es war das erste Mal, dass Fleur ein solch elegantes Kleid trug – eine figurbetonte, schwarze Abendrobe mit langen, schmalen Ärmeln. Eine Schulter schmückten stilisierte, mit winzigen schwarzen Perlen umsäumte Blätter. Belinda steckte Fleur das Haar zu einem weichen Knoten hoch und befestigte schimmernde Onyxtropfen an ihren Ohrläppchen. »So.« Ihre Mutter trat zurück und betrachtete ihr Kunstwerk. »Soll er noch einmal behaupten, du sähest aus wie ein Provinzei.«
Fleur, die feststellte, dass sie reifer und älter wirkte als sechzehn, fühlte sich unwohl, so als hätte man sie in Belindas Kleidung gesteckt.
Sie nahm ihren Platz an der langen Tafel ein, Belinda saß an dem einen, Alexi am anderen Ende. Man schwieg sich an. Alles war
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