Kein Mann für eine Nacht: Roman (German Edition)
armes, armes Kind.
Wie in Trance verharrte sie auf dem Hocker – fasziniert, hypnotisiert. Seine Stimme klang plötzlich so weich, als wollte er ein Baby in den Schlaf wiegen. »Du verstehst das nicht. Du kannst nichts dafür. Pauvre enfant .«
Seine Berührungen waren ungeahnt zärtlich. Behandelten Väter ihre Töchter so, wenn sie sie sehr gern hatten?
»Du bist außergewöhnlich«, murmelte er. »Das Foto in der Zeitung hat mich nicht darauf vorbereitet.« Spielerisch drehte er die Finger in eine Haarsträhne, die ihr ins Gesicht gefallen war. »Ich liebe schöne Dinge. Immer schon. Kleidung. Frauen. Autos.« Er streifte mit dem Daumen ihre Wangenpartie. Fleur roch sein maskulinwürziges Cologne. »Anfangs liebte ich unterschiedslos, aber inzwischen setze ich Prioritäten.«
Sie hatte keinen Schimmer, wovon er redete.
Er streichelte ihr Kinn. »Jetzt habe ich nur noch eine Obsession. Den Bugatti. Weißt du, was ein Bugatti ist?«
Wieso sprach er mit ihr über Autos? Sie hatte die Bugattis in dem Garagenbau gesehen, gleichwohl schüttelte sie vorsichtshalber den Kopf.
»Ettore Bugatti nannte seine Autos pur sang , Reinblüter, in Anlehnung an ein Vollblutpferd.« Seine Fingerspitzen streiften die schwarz glänzenden Onyxtropfen an ihren Ohrläppchen und zupften behutsam daran. »Ich habe die weltweit erlesenste Sammlung von pur san g Bugattis, mir fehlt nur noch das Glanzstück – der Bugatti Royale.« Seine Stimme klang einfühlsam, liebenswert … hypnotisch anziehend. Sie fühlte sich von ihm verzaubert. »Er hat nur sechs davon gebaut. Während des Krieges blieb nur ein Royale in Paris. Drei von uns versteckten ihn vor den Deutschen in der Kanalisation an den Seine-Kais. Dieser Wagen ist eine Legende, und ich bin fest entschlossen, ihn zu erwerben. Ich muss ihn besitzen, weil er der Beste ist. Pur sang, begreifst du das, enfant? Nur das Beste ist gut genug für mich.« Wieder streichelte er ihre Wange.
Sie nickte, obwohl sie überhaupt nichts mehr verstand. Wieso sagte er das jetzt? Dabei klang er so einfühlsam, und längst vergessene Träume erwachten zu neuem Leben. Sie schloss die Augen. Ihr Vater hatte sie kennen gelernt, und nach all den vielen Jahren akzeptierte er sie endlich.
»Du erinnerst mich an dieses Auto«, flüsterte er. »Nur dass du nicht reinblütig bist, nicht wahr?«
Einen Herzschlag lang glaubte sie, sie würde seinen Finger auf ihrem Mund spüren. Und realisierte schlagartig, dass es seine Lippen waren. Ihr Vater küsste sie.
»Alexi!«, gellte schlagartig ein spitzer Schrei durch den Raum. Fleurs Augen weiteten sich vor Entsetzen.
Belinda stand in der Tür, ihre Züge hässlich verzerrt. »Lass die Finger von ihr!«, zischte sie. »Ich bring dich um, wenn du sie noch einmal anrührst. Fleur, komm her. Du darfst dich von ihm nicht anfassen lassen.«
Fleur erhob sich wie benommen von dem Schemel und stammelte verdutzt: »Aber … er … ist doch … mein Vater …«
Belinda verzog das Gesicht, als hätte man ihr eine schallende Ohrfeige verpasst. Fleur war mit einem Mal sterbenselend zumute. Sie lief zu ihrer Mutter. »Bitte, verzeih mir. Es tut mir so leid!«
»Wie konntest du nur?« Belindas Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Hast du schon alles vergessen? Alles, was er dir angetan hat?«
Fleur schüttelte zerknirscht den Kopf. »Nein. Nein, ich habe nichts davon vergessen.«
»Komm mit mir nach oben«, sagte Belinda mit versteinerter Miene. »Sofort.«
»Geh mit deiner Mutter, chérie «, unterbrach er sie in schmeichelndem Ton. »Morgen nach der Beerdigung werden wir uns ausgiebig unterhalten und Pläne für deine Zukunft machen.«
Fleur spürte ein süßes Flattern im Bauch. Und kam sich dabei wie eine Verräterin vor.
Belinda stand an ihrem Schlafzimmerfenster und spähte durch die Bäume hindurch auf die funkelnden Straßenlaternen der Rue de la Bienfaisance. Tränen verwischten die Mascara auf ihren sorgfältig getuschten Wimpern, rollten über ihre Wangen und tropften auf die Revers ihres eisblauen Morgenmantels. Im Nebenzimmer schlief Fleur. Flynn war tot. Und hatte nie von der Existenz seiner Tochter erfahren.
Belinda war erst sechsunddreißig, fühlte sich aber wie eine steinalte Frau. Alexi hatte es auf ihr bezauberndes Baby abgesehen, und das würde sie nicht zulassen. Niemals. Koste es, was es wolle. Um ein Haar wäre sie über das Kabel der Stereoanlage gestolpert. Vor einer Stunde hatte sie einen Anruf getätigt. Sie überlegte
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