Kein Mann für jeden Tag: Roman (German Edition)
dass es am nächsten Tag keine Peinlichkeiten geben kann, weil Jack freitags nach Hause fährt. Ich bin erleichtert, weil ich das Wochenende zur Erholung habe und mich darauffreuen kann, ihn nächste Woche wiederzusehen. Das Prinzip des Heimfahrens am Wochenende ist einfach klasse. Am besten sollten alle Beziehungen nur von Montag bis Freitag stattfinden; vielleicht ist die Chance, dass sie länger bestehen, ja dann größer.
Gloria war in der letzten Woche verreist, deswegen weiß sie noch nichts von meinem Date mit Jack – ganz zu schweigen davon, dass ich mit ihm geschlafen habe. O mein Gott, wenn ich ihr davon erzähle!
Als ich heute Morgen aufwachte, war Jack bereits zur Arbeit gegangen, hatte aber auf seiner Seite des Bettes einen Zettel deponiert. Ängstlich griff ich danach. Bestimmt würde ich gleich lesen, dass wir das nicht hätten tun sollen, und anschließen würde sich die Frage, ob wir nicht alles einfach vergessen könnten.
Hallo Gilly, ich wollte dich nicht wecken, du hast so fest geschlafen. Übrigens sprichst du im Schlaf. Irgendwann nachts hast du davon geredet, wie toll Jack Baker war und dass du nächste Woche gern wieder mit ihm ausgehen würdest. PS: Bei der Gelegenheit hast du auch erwähnt, dein schönstes Kleid und High Heels anziehen zu wollen, aber kein Höschen. PPS: Du bist ganz schön heiß für fünfunddreißig.
Ich rollte mich zurück auf meine Bettseite, trampelte mit den Füßen auf der Matratze herum und jauchzte laut auf. Himmel, war dieser Mann lasterhaft! Eine große Erleichterung überkam mich, da ich in der vergangenen Nacht doch noch mutig genug gewesen war, ihm mein wahres Alter zu verraten.
»Fünfunddreißig!«, hatte er gesagt. »Ich liebe eine ältere Frau!«
»Noch nicht ganz fünfunddreißig«, hatte ich lachend geantwortet. »Und so viel älter als du bin ich auch nicht.«
Unter der Dusche sang ich lauthals Who Wants to Be a Millionaire aus dem Film Die oberen Zehntausend , doch ein anschließendes Frühstück brachte ich nicht herunter.
Ruskin und ich hüpften förmlich in den Park. Ich glaube, meine Füße berührten kaum den Boden. Unter der Eiche berichtete ich natürlich sofort über mein Date, für gewisse Zuhörer allerdings leicht zensiert.
»Himmel, ich wünschte, ich wäre noch einmal so jung«, seufzte Walter, nahm meine Hand und tanzte mit mir spontan einen Walzer um den Baum. »Ich hätte dich nach Strich und Faden vernascht, Gilly.«
Sam nahm mich beiseite und vertraute mir an, sie habe ein gutes Gefühl, was Jack Baker anbeträfe.
Brigitte interessierte sich hingegen mehr für das Restaurant, in dem wir gegessen hatten, und wollte wissen, ob ich meinen Seebarsch genossen hätte.
Ariel war an diesem Morgen nicht im Park, und ich wusste, er würde sich ein Loch in den Bauch ärgern, weil er den Klatsch versäumte.
Mari inhalierte tief den Rauch ihrer Mentholzigarette und gab sich ungewöhnlich schweigsam.
Bei der ganzen Aufregung hatte ich Guy vermisst. Ich hätte ihm nur allzu gern von meinen Erlebnissen erzählt.
»Könntest du bitte noch ein paar Knoblauchzehen klein hacken?«, bat mich Gloria.
Sie ist eine risikofreudige Köchin, die sich nur selten an Rezepte hält. Genau wie ich liebt sie es zu essen und bereitet jetzt eine meiner Lieblingsnachspeisen vor. Manchmal ist Gloria für mich wie die Mutter, die ich nach Megans Tod verlor.
Abende mit Gloria sind immer die Zeit wert. In ihrem Wohnzimmer steht meist eine Vase mit lila Tulpen, und an allen Wänden hängen Bilder und Zeichnungen von Guinness, ihrer Katze. Jeder Gegenstand hat eine eigene Geschichte; das, womit sich Gloria umgibt, stammt aus aller Herren Länder: marokkanische Teppiche, Leuchter, die sie aus Marrakesch mitgebracht hat, und Leinenkissen von einem französischen Markt. Gloria schläft auf einer einfachen dünnen Matratze auf dem Boden; den Luxus eines weichen Doppelbettes hat sie nie genossen. Ihr meistgeliebter Gegenstand ist ein Glasbild, das ihr früherer Chef ihr geschenkt hat und die heilige Theresa zeigt.
In einem Bilderrahmen hängen Fotos ihrer verstorbenen Eltern. Glorias Mutter starb mit Mitte fünfzig an Krebs, ihr Vater folgte ihr erst vor zwei Jahren mit sechsundachtzig. Sein Tod machte Gloria schwer zu schaffen. Monatelang konnte und wollte sie das Haus nicht verlassen. Manchmal schleppte ich sie mit in den Park, wenn ich mit Ruskin spazieren ging, damit sie wenigstens ab und zu an die frische Luft kam. Ich kochte Suppen und Eintöpfe für sie,
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