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Kein Opfer ist vergessen

Kein Opfer ist vergessen

Titel: Kein Opfer ist vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Harvey
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die Quittung. Nirgends wurde erklärt, weshalb sie meine Sachen mitgenommen hatten. Nur eine Reihe abgehakter Kästchen verriet, dass sie es getan hatten. Ich stopfte den Zettel in meine Hemdtasche und stieg in meinen Wagen. Fünf Minuten später war ich auf der Schnellstraße. Der weiße Typ hatte mir mein Handy zurückgegeben. Ich klickte die Mailbox an. Sarah hatte drei Nachrichten hinterlassen und klang besorgt. Das war mein einziger Trost.

VIERZEHN
    Als ich vor meinem Haus hielt, meldete Sarah sich erneut.
    »Wo bist du?«, fragte sie.
    »Gerade nach Hause gekommen. Warum?«
    »Jake und ich sind die Canal und Roosevelt rauf und runter gefahren und haben nach dir gesucht.«
    Bei dem Gedanken, dass Sarah in ihren Wagen gestiegen und nach mir gesucht hatte, machte mein Herz einen Sprung. Dass sie Havens mitgenommen hatte, war weniger schön, aber ich wollte nicht kleinlich sein.
    »Wo seid ihr jetzt?«
    »Wir sind zur zuständigen Polizeiwache gefahren. Aber die wissen von nichts.«
    »Vielleicht ist die Meldung noch nicht in ihrem Computer.«
    »Der Cop hat gesagt, das müsste sie aber. Hast du die Nummer von dem Dienstausweis des Typen?«
    »Das waren Zivile.« Ich zog die zerknitterte Quittung hervor und besah sie mir noch einmal. »Scheiße, der Name und die Nummer sind unleserlich.«
    »Warte eine Sekunde, Jake will dich sprechen.«
    »Warte –« Zu spät. Havens meldete sich.
    »Seid ihr noch auf der Wache?«, fragte ich.
    »Wir sind gerade raus.«
    »Habt ihr denen meinen Namen angegeben?«
    »Ja.«
    »Haben sie sich nach euren Namen erkundigt?«
    Es entstand eine Pause, in der Havens Sarah eine Frage stellte, die ich nicht mitbekam. Dann sprach er wieder mit mir. »Keiner von uns musste seinen Namen nennen. Warum willst du das wissen?«
    »Nur so.«
    »Habe ich das eben richtig verstanden? Du kannst nicht feststellen, wer die Typen waren?«
    »Richtig. Und das Nummernschild ihres Wagens konnte ich auch nicht lesen.«
    Stille.
    »Ich wette, die haben mich angehalten, um sich die Kopien zu schnappen.«
    »Das kann ich mir nicht vorstellen.«
    »Welchen Grund sollten sie denn sonst gehabt haben?«
    »Der Karton stand da schon seit über einem Jahrzehnt. Zig Leute hätten in der Zeit hingehen und sich den Inhalt anschauen können.«
    »Ja, aber vielleicht hat es keiner getan. Wenn du mich fragst, hat der alte Knacker dort jemanden angerufen. Vielleicht haben sie schon vor dem Gebäude auf uns gewartet.« Je länger ich darüber nachdachte, desto plausibler klang ich in meinen Ohren. »Bist du mit Sarah auf dem Rückweg?«
    »Ja.«
    »Können wir uns morgen treffen?«
    »Wozu? Gibt’s was zu bereden?«
    Ich schaute in den Rückspiegel und warf einen Blick auf die Straße hinter mir. »Könnte sein.«
    »Was soll das heißen?«
    »Wir sprechen uns morgen.«
    Ich beendete das Gespräch, verließ den Wagen und lief den Weg zu meinem Haus hoch. Der Anwalt hatte mir geraten, das Haus zu verkaufen und das Geld anzulegen. Oder mir davon eine Wohnung im Zentrum zu kaufen. Oder beides. Aber was wissen Anwälte schon? Ich ging in die Küche und setzte mich an den Tisch. Ich konnte ihren Schlüssel in der Eingangstür hören. Ihre Stimme, die rief, sie sei wieder da. Meine Mutter war keine große Köchin gewesen. Meistens gingen wir aus dem Haus und besorgten uns etwas bei McDonalds. Als ich älter wurde und auf der High School war, sagte sie, ich solle mit meinen Freunden losziehen. Aber daran hatte ich kein Interesse. Ich aß gern mit meiner Mum. Dann ging ich aufs College, und prompt wurde sie krank. Ich stand auf, öffnete den Küchenschrank und entdeckte eine Dosensuppe und eine Packung Kräcker. Ich kippte die Suppe in einen Topf und zündete die Kochstelle mit einem Streichholz an. Es war ein alter Gasherd. Der Anwalt hätte mir wahrscheinlich auch geraten, das Ding loszuwerden.
    Ich betrat das Wohnzimmer. Die Holzdielen unter meinen Füßen knarzten. Ich setzte mich aufs Sofa und las noch einmal den Brief, den sie bei dem Anwalt hinterlassen hatte. Dann legte ich ihn weg und griff nach dem gerahmten Bild auf dem Beistelltisch. Das Bild war eine alte Werbeanzeige für ein Waschmittel, die eine Zeit lang in der Tribune erschienen war. Meine Mutter war der Star darauf, eine junge Frau, die Laken von einer Wäscheleine nahm. Sie blinzelte in die Sonne, die auf ihr Gesicht fiel.
    »Worauf starrst du da, Ian?«
    Das Bild glitt aus meiner Hand. Ich hörte, wie das Glas auf dem Fußboden zerbrach. Vor mir stand meine

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