Kein Opfer ist vergessen
muss ich annehmen. Würde es Ihnen etwas ausmachen, kurz draußen zu warten?«
Gleich darauf saßen wir im leeren Flur. Ein Mann und eine Frau in Laborkitteln liefen an uns vorüber. Ihnen folgte ein Mann, der am Gürtel einen Holster mit Waffe trug. Keiner von ihnen schenkte uns einen zweiten Blick.
»Was hältst du von Moncata?«, fragte Havens.
»Scheint in Ordnung zu sein.«
»Sollen wir ihm von dem Brand erzählen?«
»Auf gar keinen Fall.«
Wir schwiegen eine Weile.
»Aber die anderen alten Fälle werde ich erwähnen«, sagte Havens. »Ich meine, Scranton und Allen.«
»Wozu?«
»Weil ich glaube, dass sie mit Wingate zusammenhängen.«
»Und wenn schon. In dem Punkt kann er uns sowieso nicht weiterhelfen. Wir bleiben lieber bei der Jeans.«
Es wurde wieder still. Diesmal unterbrach ich das Schweigen.
»Wie war’s auf dem Boot?«
Havens zuckte mit den Schultern. »Lustig. Du hättest mitkommen sollen.«
Ich versuchte, seinen Blick einzufangen, aber Havens starrte eisern zu Boden.
»Wart ihr lange unterwegs?«
In dem Moment öffnete sich die Tür. Moncata winkte uns zurück in sein Büro.
»Tut mir leid. Wie ich schon sagte, zurzeit ist hier einiges los.« Er bat uns nicht einmal mehr, Platz zu nehmen. Der Mann wollte den Schlussakkord einläuten und machte keinen Hehl daraus. »Ich muss Sie leider verabschieden, aber wie wär’s damit: Ich schaue mir die Probe noch mal an und mache ein paar Tests. Mal sehen, ob was Interessantes dabei herauskommt. Versprechen kann ich nichts. Eher würde ich wetten, dass wir absolut nichts Neues finden. Ich hoffe dennoch, dass Ihnen das Ergebnis weiterhilft, so oder so. Die Arbeit erledige ich gratis. Ist das ein faires Angebot?«
»Sehr fair.« Ich streckte den Arm aus und schüttelte seine Hand. »Besten Dank, Mr Moncata.«
»Sam.«
Ich zupfte eine Visitenkarte aus dem Ständer auf seinem Tisch. »Wenn es Ihnen recht ist, schicke ich Ihnen unsere Kontaktadresse. Denken Sie, dass Sie das Ergebnis in einer Woche haben?«
»Sicher.« Moncata wedelte uns in Richtung Tür. Havens rührte sich nicht von der Stelle.
»Ich hätte da noch eine Frage, Sam.«
Moncata sah auf seine Uhr.
»Dauert nur eine Sekunde«, setzte Havens hinzu.
Moncata schüttelte den Kopf. »Nicht jetzt, junger Mann.«
Havens ging darüber hinweg. »Wir sind der Ansicht, dass es eine Verbindung zwischen Harrison und zwei weiteren alten Fällen gibt.«
»Das können Sie mir alles per E-Mail schreiben.« Mit sanftem Nachdruck schob Moncata uns zur Tür und hinaus aus seinem Leben.
»Der Zeitraum passt. Auch die Art, wie die Opfer umgebracht wurden. Und jedes Mal war Wasser in der Nähe.«
Moncatas Telefon klingelte erneut. Er warf mir einen hilfesuchenden Blick zu.
»Komm jetzt, Jake«, sagte ich. »Die Einzelheiten können wir ihm später schicken.«
»Und an jedem Opfer wurden Bisswunden festgestellt«, schloss Havens.
Moncata nahm die Hand von meiner Schulter, legte den Kopf schief und musterte Havens. »Haben Sie gerade ›Bisswunden‹ gesagt?«
»Ja.«
Das Telefon klingelte immer noch. Moncata ignorierte es. »Setzen Sie sich noch einen Moment.«
Wir nahmen unsere Plätze wieder ein. Moncata konzentrierte sich auf Havens, der ihm seine Theorien über Billy Scranton und Richmond Allen vortrug. Zu guter Letzt zeigte er ihm noch einige der Unterlagen, die er zusammengestellt hatte, und legte Abzüge der Fotos dazu, auf denen man die Bisswunden auf der Haut der Jungen erkannte.
»Wir glauben, dass auch Skylar Wingate gebissen wurde«, sagte er. »Aber davon haben wir keine Fotos.«
Moncata ging das Material durch und studierte die Bisswunden mit einer Lupe. Als Nächstes befestigte er die Fotos an einer Leuchttafel und vertiefte sich in ihren Anblick.
»Haben Sie diese Fotos auch auf Diskette?«, fragte er schließlich.
»Nein, nur die Papierabzüge.«
»Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich die für eine Weile behalte? Ich garantiere Ihnen, dass sie hier in Sicherheit sind.«
»Es hat bereits ein paar Vorfälle gegeben«, sagte Havens.
Moncata schien es nicht mehr eilig zu haben. »Welcher Art?«
Also berichteten wir ihm auch von den Detectives, die mich auf der Straße angehalten hatten, von meinem Besuch im Straßenverein und dem Brand. Den »Vorfall« mit Theresa behielt ich für mich. Offen gestanden wollte ich nicht einmal mehr an sie denken. Als wir geendet hatten, schwieg Moncata. Dann stand er auf und begann, auf und ab zu laufen.
»Falls es im Fall Harrison
Weitere Kostenlose Bücher