Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition)
liche Beute entkommen war. Er rammte das Fass einmal, sodass es quer durch die Arena rollte, rammte es erneut und klemmte es schließlich gegen die Wand, wo er es schnaubend und vollkommen außer sich mit den Hörnern attackierte.
Luke sah mit flauem Magen zu und dachte noch einmal, dass dieser Bulle nicht in diesen Wettkampf gehörte. Oder in irgendeinen anderen Wettkampf. Eines Tages würde Big Ugly Critter jemanden töten.
N ach den ersten beiden Runden befanden sich neunundzwanzig Reiter wieder auf dem Heimweg. Fünfzehn blieben im Rennen. Luke wurde in der Endrunde als Nummer eins gesetzt und war damit der letzte Reiter des Tages. Vor dem Finale gab es eine kurze Pause, und da sich der Winterhimmel bereits verdunkelte, wurde das Flutlicht eingeschaltet.
Lukes Hände waren immer noch ruhig, seine Nerven hatte er im Griff. Er war bisher gut geritten und würde voraussichtlich noch einmal gut reiten. Doch die Beklemmung, die er vor dem Rodeo empfunden hatte, war trotz seiner erfolgreichen ersten Runden nicht gänzlich ver schwunden.
Sie hatte sich sogar noch verstärkt, seit er Big Ugly Critters Attacke auf Harris beobachtet hatte. Die Veranstalter hätten sich der Gefahr bewusst sein müssen, sie kannten schließlich die Vorfälle aus der Vergangenheit. Es hätten fünf Rodeo-Clowns in der Arena sein müssen, nicht nur zwei. Doch selbst nach Millers Ritt hatten sie ihre Lektion nicht gelernt. Der Bulle war gefährlich. Geradezu psychotisch.
Wie die anderen Finalisten stellte sich Luke für die letzte Auslosung des Tages an. Raptor kam als Dritter, Locomotive als Siebter, und je mehr Namen verlesen wurden, desto mehr verstärkte sich seine düstere Vorahnung. Er konnte seine Konkurrenten nicht ansehen, sondern schloss die Augen und wartete auf das Unvermeidliche.
Und am Ende zog er, wie er tief drinnen die ganze Zeit gewusst hatte, Big Ugly Critter.
I n der Endrunde verlangsamte sich die Zeit. Die ersten beiden Reiter hielten durch, die nächsten drei wurden abgeworfen.
Luke saß in seinem Wagen und lauschte dem Ansager. Adrenalin rauschte durch seinen Körper, sein Herz klopfte immer schneller. Er versuchte sich einzureden, er sei bereit, er sei der Herausforderung gewachsen, doch das stimmte nicht. Nicht einmal damals, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, war er für dieses Tier bereit gewesen, geschweige denn jetzt.
Er wollte nicht dort raus. Er wollte den Ansager nicht von dem Pick-up sprechen hören, den man gewinnen konnte, oder davon, dass der Bulle in den vergangenen drei Jahren jeden Reiter abgeworfen hatte. Davon, dass Big Ugly Critter ihn bei ihrer letzten Begegnung fast umgebracht hatte und sein Ritt heute eine Art Abrechnung darstellte. Denn so war es nicht. Luke hegte keinen Groll gegen den Bullen, er hatte kein Bedürfnis nach Rache. Es war nur ein Tier, wenn auch das boshafteste, gemeinste, das er je erlebt hatte.
Er überlegte, ob er einfach nicht antreten sollte. Die Wertungen aus den ersten beiden Runden mitnehmen und es gut sein lassen. Dann kam er immer noch unter die ersten zehn, vielleicht sogar die ersten fünf, je nachdem, wie sich die anderen Reiter letzten Endes schlugen. In der Gesamtwertung fiele er zurück, aber es würde immer noch reichen, um in die Tour der Besten aufzusteigen.
Wo auch Big Ugly Critter mit Sicherheit landen würde.
Doch was würde beim nächsten Mal passieren? Wenn er den Bullen in der ersten Runde zöge, zum Beispiel in Kalifornien? Oder Utah? Nachdem er ein kleines Vermögen für den Flug, das Hotel und die Verpflegung ausgegeben hatte? Wäre er auch dann bereit, einfach zu verzichten?
Er wusste es nicht. Im Augenblick konnte er keinen klaren Gedanken fassen, in seinem Kopf war ein Rauschen, wenn auch seine Hände überhaupt nicht zitterten. Merkwürdig, dachte er.
Das Publikum in der Arena jubelte, offenbar hatte es gerade einen gelungenen Ritt gegeben. Einen guten außerdem, dem Applaus nach. Schön für ihn, dachte Luke, wer auch immer es gewesen war. Inzwischen missgönnte er niemandem mehr den Erfolg. Er kannte die Risiken besser als jeder andere.
Es wurde Zeit. Er musste eine Entscheidung treffen. Bleiben oder gehen, antreten oder nicht, die Ranch retten oder sie der Bank überlassen.
Leben oder sterben.
Er atmete tief durch. Hände immer noch in Ordnung. Er drückte die Wagentür auf, stieg aus und sah hinauf in den dunkelgrauen Himmel.
Leben oder sterben. Darauf lief alles hinaus. Luke machte sich auf den Weg in die Arena und fragte sich,
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