Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition)
Landung war hart gewesen, aber er hatte sich nicht verletzt und seinen Hut unter dem johlenden Beifall des Publikums geschwenkt.
Danach folgten die Glückwünsche und anerkennendes Schulterklopfen, und er konnte schlecht ablehnen, wenn so viele Leute ihm einen ausgeben wollten. Außerdem war er ohnehin noch nicht bereit, nach Hause zu fahren. Er brauchte Zeit, um abzuschalten, um wie üblich die Ritte im Kopf noch einmal durchzuspielen. Im Geiste gelangen ihm die Manöver, die ihm beim Reiten nicht gelungen waren, immer, und er musste die Abläufe durchdenken, wenn er ernsthaft weitermachen wollte. Auch wenn er gewonnen hatte, war sein Gleichgewicht noch nicht annähernd so, wie es früher gewesen war. Er hatte noch einen weiten Weg vor sich.
Er war gedanklich gerade mit seinem zweiten Ritt beschäftigt, als ihm die Frau erstmals auffiel. Es war schwer, die langen blonden Haare und die ausdrucksvollen Augen zu übersehen; er hatte das Gefühl, dass sie, genau wie er, in ihre eigenen Gedanken vertieft war. Sie war hübsch, aber darüber hinaus strahlte sie etwas Natürliches aus, eine Frau, die wahrscheinlich in Jeans und im Abendkleid gleich gut aussah. Kein aufgedonnertes Groupie, das hoffte, mit einem der Rodeoreiter anbändeln zu können. Die gab es überall auf der Tour – vorhin hatten ihn zwei in der Scheune angesprochen –, aber er war nicht interes siert. Im Laufe der Jahre hatte er ein paar One-Night-Stands gehabt, genug um zu wissen, dass er sich danach unweiger lich leer fühlte.
Die Frau am Zaun dagegen interessierte ihn. Sie war an ders, wenn er auch nicht sagen konnte, inwiefern. Vielleicht, dachte er, war es der offene, beinahe verletzliche Blick in die Ferne. Was es auch war, er spürte, dass sie im Moment vor allem einen Freund brauchte. Er überlegte, ob er sie ansprechen sollte, verwarf den Gedanken aber und richtete seinen Blick wieder auf die Arena. Trotz der Schein werfer war es zu dunkel, um Einzelheiten zu erkennen, aber er konnte es sich nicht verkneifen, nach Big Ugly Critter zu suchen. Sie waren auf immer verbunden, dachte er und fragte sich, ob der Bulle vielleicht schon verladen worden war. Andererseits hatte sein Besitzer wohl kaum vor, die Nacht durchzufahren, was bedeutete, das Tier musste noch hier sein. Trotzdem dauerte es ein Weilchen, bevor er ihn ausgemacht hatte.
Und während er Big Ugly Critter betrachtete, war dieser betrunkene Exfreund aufgetaucht. Es war unmöglich gewesen, das Gespräch nicht mitzuhören, trotzdem hatte Luke sich ermahnt, sich bloß nicht einzumischen. Und das hätte er auch nicht getan, wenn der riesige Kerl sie nicht angefasst hätte. Zu dem Zeitpunkt war schon offensichtlich, dass sie nichts mit ihm zu tun haben wollte, und als Luke dann noch merkte, dass sich die Wut der blonden Frau in Angst verwandelte, hatte er sich unwillkürlich vom Zaun abgestoßen. Er wusste, dass er seinen Entschluss wahrscheinlich bereuen würde, aber er hatte keine Wahl.
Nun sah Luke dem betrunkenen Exfreund nach, drehte sich dann um und bedankte sich bei seinen Rodeokollegen für ihre Unterstützung. Einer nach dem anderen schlenderte davon, bis Luke und Sophia allein waren.
Über ihren Köpfen hatten sich die Sterne am Himmel vervielfacht. In der Scheune stimmte die Band das nächste Stück an, einen älteren Klassiker von Garth Brooks. Mit einem tiefen Seufzen ließ Sophia die Arme sinken, die Herbstbrise spielte sanft in ihrem Haar.
»Tut mir leid, dass du in das Ganze mit reingezogen wor den bist, aber vielen Dank«, sagte sie etwas verlegen.
Von Nahem bemerkte Luke die ungewöhnliche grüne Farbe ihrer Augen und den weichen Ton, mit dem sie sprach, ein Klang, der ihn an weit entfernte Orte denken ließ. Einen Moment lang brachte er keinen Ton heraus.
»Freut mich, dass ich helfen konnte«, sagte er schließlich.
Als er nichts hinzufügte, klemmte sie sich eine lose Strähne hinters Ohr. »Er ... ist nicht immer so blöd, wie du jetzt wahrscheinlich denkst. Wir waren mal zusammen, und er ist nicht gerade begeistert, dass ich mit ihm Schluss gemacht habe.«
»Das dachte ich mir schon.«
»Hast du ... alles gehört?« Ihre Miene drückte eine Mischung aus Verlegenheit und Erschöpfung aus.
»Es ließ sich schlecht vermeiden.«
Sie kniff die Lippen zusammen. »Das hatte ich befürchtet.«
»Wenn du dich dann besser fühlst, verspreche ich, alles zu vergessen.«
Sie lachte aufrichtig, und er glaubte, Erleichterung darin zu hören.
»Ich werde mir
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