Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition)
dich einfach«, sagte der Cowboy und ging einen Schritt rückwärts. »Du musst das Ganze ja nicht noch schlimmer machen.«
Brian ignorierte seine Worte. Mit verblüffender Schnelligkeit stürzte er sich auf den kleineren Mann, die Arme weit ausgestreckt. Sophia kannte den Sprung, hatte Brian unzählige Gegenspieler auf dem Lacrosse-Feld attackieren sehen, und sie wusste genau, was jetzt passieren würde: Er würde den Kopf senken, mit den Beinen kräftig Schub geben und den anderen Mann umwerfen wie einen angesägten Baum. Doch obwohl Brian genau das tat, was sie erwartete, ging es nicht so aus wie sonst. Denn sein Gegner ließ ein Bein stehen, lehnte sich zur Seite, stieß die Arme vor und nutzte Brians Schwung, um ihn von den Füßen zu holen. Eine Sekunde später lag Brian mit dem Gesicht auf der Erde, den abgetretenen Cowboystiefel des Fremden im Nacken.
»Jetzt beruhige dich mal«, sagte der Cowboy.
Brian wand sich unter dem Absatz und machte Anstalten, sich hochzudrücken, aber mit einem schnellen Hüpfer setzte der Cowboy den anderen Fuß kurz und kraftvoll auf Brians Finger. Brian riss die Hand zurück und schrie.
»Hör auf zu zappeln, sonst wird es nur noch schlimmer.« Der Cowboys sprach langsam und deutlich, als habe er einen Trottel vor sich.
Immer noch fassungslos über die Entwicklung der Ereignisse starrte Sophia ihn an. Es war der Mann, der vorhin allein am Zaun gestanden hatte, und ihr fiel auf, dass er sie noch nicht ein Mal angesehen hatte. Er schien sich auch jetzt auf seinen Stiefel zu konzentrieren, als klemme eine Klapperschlange darunter. Was irgendwie auch zutraf.
Brian fing erneut an, sich zu wehren. Wieder trat der andere ihm auf die Finger, ohne dass der zweite Fuß seinen Nacken freigab. Mühsam unterdrückte Brian ein Wimmern, und nach und nach wurde er ruhig. Erst da hob der Cowboy den Blick und sah Sophia an. Seine blauen Augen wirkten im indirekten Licht hinter der Scheune durchdringend.
»Wenn du gehen möchtest«, bot er ihr an, »halte ich ihn gern noch ein Weilchen fest.«
Er klang unbekümmert, als sei die Situation völlig normal. Während sie nach einer passenden Antwort suchte, musterte sie die unordentlichen braunen Haare unter dem Hut und stellte fest, dass er nicht viel älter sein konnte als sie. Irgendwie kam er ihr bekannt vor, aber nicht nur von vorhin am Zaun. Sie hatte ihn schon woanders gesehen, doch wo, fiel ihr nicht ein.
»Danke.« Sie räusperte sich. »Aber ich komme schon klar.«
Sobald er ihre Stimme hörte, fing Brian wieder an, sich aufzubäumen; und abermals endete es damit, dass er jaulend vor Schmerz die Hand zurückriss.
»Sicher?«, fragte der Cowboy. »Ich hab das Gefühl, dass er ein bisschen aufgebracht ist.«
Das ist wohl noch untertrieben, dachte sie. Brian kochte mit Sicherheit vor Wut. Sie konnte sich ein winziges Lächeln nicht verkneifen.
»Ich glaube, er hat seine Lektion gelernt.«
Der Cowboy sah aus, als ließe er sich ihre Antwort durch den Kopf gehen. »Vielleicht solltest du mal nachfragen«, schlug er vor und schob den Hut zurück. »Nur, um sicher zu sein.«
Zu ihrer eigenen Überraschung lächelte sie ihn an, ehe sie sich vorbeugte. »Lässt du mich jetzt in Ruhe, Brian?«
Brian stieß ein unterdrücktes Jaulen aus. »Sag ihm, er soll von mir runtergehen! Ich bringe ihn um ...«
Der Cowboy seufzte und trat noch etwas fester auf Brians Nacken. Dieses Mal wurde Brians Gesicht unsanft in die Erde gedrückt.
Sophia sah zwischen den beiden hin und her. »Ist das ein Ja oder ein Nein, Brian?«, fragte sie liebenswürdig.
Der Mann lachte und zeigte dabei gleichmäßige weiße Zähne.
Vier andere Cowboys hatten sie in der Zwischenzeit umringt. Sophia kam sich vor, als wäre sie in einen alten Western geraten, und schlagartig fiel ihr ein, wo sie diesen Cowboy schon einmal gesehen hatte. Nicht in der Scheune, sondern vorher, beim Rodeo. Er war derjenige, den Marcia als Sahneschnitte bezeichnet hatte. Der Bullenreiter, der den Wettbewerb gewonnen hatte.
»Alles okay bei dir, Luke?«, fragte einer aus dem Kreis. »Brauchst du Hilfe?«
Der Cowboy mit den blauen Augen schüttelte den Kopf. »Im Moment geht’s, danke. Aber wenn er nicht aufhört zu zappeln, bricht er sich noch die Nase.«
Sophia sah ihn an. »Du heißt Luke?«
Er nickte. »Und du?«
»Sophia.«
Er tippte sich an den Hut. »Freut mich sehr, Sophia.« Grinsend sah er wieder zu Brian nach unten.
»Lässt du Sophia in Ruhe, wenn du aufstehen
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