Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition)
ebenfalls alle Mühe geben, es zu vergessen«, sagte sie. »Ich wünschte nur ...«
Sie brach ab, und Luke beendete den Gedanken für sie. »Es ist vorbei und erledigt, nehme ich an. Zumindest für heute.«
Sie drehte sich um und betrachtete ausgiebig die Scheune. »Das hoffe ich auf jeden Fall.«
Luke schabte mit den Füßen über den Boden, als ver suche er, Worte aus der Erde zu graben. »Ich schätze, deine Freunde sind da drin?«
Ihr Blick schweifte zu den Gestalten, die sich am Tor aufhielten. »Wir sind eine ganze Gruppe«, sagte sie. »Ich gehe aufs Wake Forest, und meine Zimmergenossin aus dem Wohnheim war der Meinung, ich bräuchte dringend mal einen Mädelsabend.«
»Wahrscheinlich wundern sie sich, wo du bleibst.«
»Das bezweifle ich. Dafür amüsieren sie sich zu gut.«
Aus einem Baum am Rand der Koppel ertönte der Schrei einer Eule, und beide drehten sich um.
»Soll ich dich nach drinnen begleiten? Falls es Ärger gibt, meine ich?«
Zu seiner Überraschung schüttelte sie den Kopf. »Nein. Ich glaube, es ist das Beste, wenn ich noch ein Weilchen hier draußen bleibe. Damit Brian sich ein bisschen beru higen kann.«
Nur, wenn er aufhört zu trinken, dachte Luke. Lass gut sein. Das geht dich nichts an, ermahnte er sich dann. »Möch test du lieber allein sein?«
Ein belustigter Ausdruck huschte über ihr Gesicht. »Warum? Langweile ich dich?«
»Nein. Überhaupt nicht. Ich wollte nur nicht ...«
»Das war ein Scherz.« Sie trat an den Zaun und stützte die Arme auf. Zögernd stellte sich Luke neben sie.
Sie sah in die Ferne, betrachtete die sanft gewellten Hügel, die typisch für diesen Teil des Staates waren. Schweigend musterte Luke sie von der Seite, bemerkte den kleinen Stecker in ihrem Ohrläppchen, überlegte, was er sagen sollte.
»In welchem Jahr bist du am College?«, fragte er schließ lich. Er wusste, dass es eine dämliche Frage war, aber etwas Besseres fiel ihm einfach nicht ein.
»Im letzten.«
»Dann bist du ... zweiundzwanzig?«
»Einundzwanzig.« Sie drehte sich halb in seine Richtung. »Und du?«
»Älter.«
»Aber nicht viel, würde ich schätzen. Warst du auch auf dem College?«
»Das war nicht so mein Ding.« Er zuckte die Achseln.
»Und du verdienst dein Geld mit Bullenreiten?«
»Manchmal«, gab er zurück. »Also, wenn ich oben bleibe. Ansonsten bin ich nur ein Spielzeug, mit dem der Bulle rumtoben darf, bis ich flüchten kann.«
Sie zog eine Augenbraue hoch. »Du warst heute ziemlich beeindruckend.«
»Du erinnerst dich an mich?«
»Aber klar. Du warst der Einzige, der alle Runden durchgehalten hat. Du hast doch gewonnen, oder?«
»Ich hatte einen ganz guten Abend«, gab er zu.
Sie legte die Hände zusammen. »Also heißt du Luke ...«
»Collins.«
»Genau. Der Sprecher hat vor deinem Ritt endlos von dir erzählt.«
»Und?«
»Um ehrlich zu sein, habe ich nicht richtig aufgepasst. Da wusste ich ja noch nicht, dass du mich später retten würdest.«
Er horchte auf Spuren von Sarkasmus, konnte aber keine feststellen, was ihn überraschte. Er zeigte mit dem Daumen über die Schulter zu dem Traktorreifen. »Die anderen Jungs sind auch zu Hilfe gekommen.«
»Aber sie sind nicht dazwischengegangen. Du schon.« Sie machte eine kurze Pause. »Darf ich dich mal was fragen?«, fuhr sie dann fort. »Das geht mir schon den ganzen Abend durch den Kopf.«
Luke zupfte an einem Splitter im Holz. »Bitte.«
»Warum um alles in der Welt reitet man Bullen? Es sieht ziemlich gefährlich aus.«
Ist es auch, dachte er. Alle fragten das. Er antwortete auch diesmal, wie er es immer tat.
»Das wollte ich einfach schon immer machen. Ich habe als kleines Kind angefangen. Mein erstes Kalb habe ich, glaube ich, mit vier Jahren geritten, und in der dritten Klasse war ich schon bei jungen Stieren.«
»Aber wer hat dich auf die Idee gebracht?«
»Mein Vater«, sagte er. »Er hat jahrelang Rodeos geritten. Saddle Bronc, also Wildpferde mit Sattel.«
»Ist das anders als mit Bullen?«
»Im Prinzip sind es dieselben Regeln, aber eben auf einem Pferd. Acht Sekunden mit einer Hand festhalten, während das Tier versucht, dich abzuwerfen.«
»Nur dass Pferde keine Hörner in der Größe von Baseball schlägern haben. Und kleiner und nicht so bösartig sind.«
Er dachte kurz nach. »Das stimmt wohl so in etwa.«
»Warum reitest du dann nicht auch Saddle Bronc statt Bullen?«
Er sah zu, wie sie sich die Haare mit beiden Händen zurückstrich, um die flatternden
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