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Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition)

Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition)

Titel: Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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ich im Mai 1 942 mein Examen gemacht hatte, kehrte ich nach Hause zurück, aber ich erkannte das Geschäft nicht wieder. Wo früher Anzüge an Kleiderstangen hingen, standen nun dreißig Nähmaschinen, an denen dreißig Frauen Uniformen für die Armee herstellten. Zweimal täglich trafen schwere Stoffballen ein und verstopften das gesamte Hinterzimmer. Das Nebengebäude, das jahrelang leer gestanden hatte, war von meinem Vater angemietet worden und bot Platz für weitere sechzig Nähmaschinen. Meine Mutter beaufsichtigte die Produktion, während mein Vater telefonierte, die Bücher führte und die Liefe rung an Heeres- und Marinestützpunkte organisierte, die damals im ganzen Süden entstanden.
    Ich wusste, dass ich bald einberufen wurde, und das bedeutete entweder Heer oder Marineinfanterie, Kampf im Schützengraben. Die Mutigen begeisterten sich für solche Dinge, aber wie schon erwähnt, war ich nicht mutig. Daher hatte ich auf der Heimfahrt bereits beschlossen, mich zur Luftwaffe zu melden. Aus irgendeinem Grund schien mir die Vorstellung, in der Luft zu kämpfen, weniger furcht einflößend als die, auf dem Boden zu kämpfen. Das sollte sich allerdings als falsch erweisen.
    Am selben Abend teilte ich es meinen Eltern mit. Meine Mutter rang die Hände. Mein Vater sagte nichts, aber später, als er Zahlen in sein Rechnungsbuch eintrug, glaubte ich, ein feuchtes Glänzen in seinen Augen zu sehen.
    Ich hatte noch eine weitere Entscheidung getroffen. Bevor Ruth nach Greensboro zurückkam, traf ich mich mit ihrem Vater und erklärte ihm, wie viel mir seine Tochter bedeutete. Zwei Tage später fuhr ich ihre Eltern wie im Vorjahr zum Bahnhof. Wieder ließ ich ihnen den Vortritt bei der Begrüßung, und wieder führte ich Ruth anschließend zum Essen aus. Dort, in einem weitgehend leeren Restaurant, erzählte ich ihr von meinen Plänen. Im Gegensatz zu meinen Eltern vergoss Ruth keine Träne. Damals nicht.
    Ich brachte sie nicht sofort nach Hause, sondern wir gingen nach dem Essen in den Park, nicht weit von der Stelle entfernt, an der wir so oft gepicknickt hatten. Es war eine mondlose Nacht, und die Laternen im Park brannten nicht. Als ich meine Hand in ihre schob, konnte ich ihre Gesichts züge kaum erkennen.
    Ich tastete nach jenem Ring in meiner Tasche, von dem ich ihrem Vater vorab erzählt hatte. Lange hatte ich hin und her überlegt, nicht weil ich mir meiner Absichten nicht sicher war, sondern weil ich ihre nicht genau kannte. Doch ich liebte sie, und bevor ich in den Krieg zog, wollte ich wissen, ob sie da wäre, wenn ich zurückkehrte. Also ging ich auf die Knie und sagte ihr, wie viel sie mir bedeutete. Ich erklärte ihr, dass ich mir ein Leben ohne sie nicht vorstellen könne, und bat sie, meine Frau zu werden. Dabei hielt ich ihr den Ring hin. Sie antwortete nicht sofort, und ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, ich hätte in dem Augenblick keine Angst gehabt. Doch dann nahm sie den Ring, streifte ihn über den Finger und griff nach meiner Hand. Ich erhob mich und stand unter einem Himmel voller Sterne vor ihr. Sie schlang die Arme um mich.
    »Ja«, flüsterte sie. So blieben wir lange stehen, es kam mir vor wie Stunden. Selbst heute noch, fast siebzig Jahre später, kann ich trotz der Kälte im Auto ihre Wärme spüren. Ich kann ihr Parfüm riechen, etwas Blumiges und Zartes. Ich atme tief ein, versuche, den Duft festzuhalten, so wie ich sie an jenem Abend festhielt.
    Später spazierten wir eng umschlungen durch den Park und sprachen über unsere gemeinsame Zukunft. In ihrer Stimme lag Liebe und Aufregung, und doch weckt eben dieser Teil des Abends immer ein Bedauern in mir. Ich werde an den Mann erinnert, der ich nie sein konnte, an die Träume, die nie in Erfüllung gingen. Als ich die vertraute Scham in mir aufwallen spüre, umweht mich wieder der Duft ihres Parfüms. Er ist jetzt stärker, als wäre er keine Erinnerung, sondern als könne ich ihn im Wagen riechen. Obwohl ich mich kaum traue, die Augen aufzuschlagen, tue ich es. Anfangs ist alles verschwommen und dunkel, und ich kann gar nichts erkennen.
    Dann sehe ich sie endlich. Sie ist wieder durchsichtig, geisterhaft, aber es ist Ruth. Sie ist hier, sie ist zu mir zurückgekommen, denke ich, und mein Herz macht einen Satz. Ich möchte die Hand nach ihr ausstrecken, sie in die Arme nehmen, weiß jedoch, dass das unmöglich ist, also konzentriere ich mich stattdessen. Ich möchte sie schärfer sehen, und als sich meine Augen schließlich

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