Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition)
Sichtfeld. »Eigentlich sollst du mir folgen!«, rief er.
Mit immer noch heftig pochendem Herzen und trocke nem Mund atmete Sophia tief durch. Es gab keinen Grund, warum sie das nicht schaffen sollte. Immerhin saß sie ja schon oben. Alle möglichen Leute ritten. Kleine Kinder ritten, also, wie schwer konnte es schon sein? Und selbst wenn es schwer war, na und? Schwer war kein Problem für sie. Englische Literatur bei Professor Aldair war schwer. Samstags vierzehn Stunden im Feinkost laden arbeiten, wenn all ihre Freunde in die Stadt fuhren, war schwer. Sich von Brian durch die Mangel drehen zu lassen, das war schwer gewesen. Sie holte noch einmal tief Luft, hob die Zügel und klopfte Demon in die Flanken.
Nichts.
Sie klopfte noch einmal.
Ein Ohr zuckte, ansonsten blieb er regungslos wie eine Statue.
Okay, so einfach ist es also nicht, dachte sie. Offenbar wollte Demon zu Hause bleiben.
Jetzt kamen Luke und Pferd wieder in Sicht. Er hob die Hutkrempe an. »Kommst du?«
»Er will nicht«, erklärte sie.
»Treib ihn mit den Fersen an und sag ihm, was du von ihm willst. Benutz die Zügel. Er muss spüren, dass du weißt, was du tust.«
Schön wär’s, dachte sie. Ich habe doch keine Ahnung, was ich tue. Sie trat ihm in die Flanken, immer noch keine Reaktion.
Plötzlich zeigte Luke auf das Pferd wie ein Lehrer, der mit einem Kind schimpft.
»Hör jetzt mit dem Quatsch auf, Demon«, blaffte er. »Du machst ihr Angst. Komm her.« Erstaunlicherweise reichten seine Worte aus, um das Pferd in Bewegung zu setzen, ohne dass Sophia irgendetwas unternehmen musste. Weil sie damit allerdings nicht gerechnet hatte, kippte sie im Sattel zurück und warf sich in dem Bemühen, das Gleichgewicht zu halten, instinktiv nach vorn.
Wieder zuckte Demons Ohr, als frage er sich, ob das Ganze eine Art Scherz auf seine Kosten sein sollte.
Sophia hielte die Zügel mit beiden Händen, aber Demon brauchte sie gar nicht. Er lief durch das Tor, schnaubte Pferd im Vorbeigehen zu und blieb dann stehen, während Luke hinter ihnen das Tor schloss und neben sie ritt.
Für den Anfang hielt Luke Pferd in einem gemächlichen, gleichmäßigen Schritt, und Demon trottete zufrieden neben ihm her, ohne von Sophia irgendwelchen Einsatz zu fordern. Sie überquerten die Auffahrt und bogen in einen Pfad, der entlang der letzten Reihe Tannenbäume führte.
Der Duft nach Nadeln war hier stärker und erinnerte Sophia an Weihnachten. Als sie sich allmählich an den Rhythmus des Pferdegangs gewöhnt hatte, fühlte sie sich leichter, und ihre Atmung wurde normal.
Die Tannenbaumpflanzung endete an einem schmalen, etwa fünfzig Meter breiten Waldstreifen. Die Pferde liefen über einen überwucherten Pfad, beinahe auf Autopilot, erst bergauf und dann wieder bergab, immer tiefer in eine ungezähmte Welt. Hinter ihnen verschwand die Ranch aus dem Blick, und Sophia bekam das Gefühl, in einem fernen Land zu sein.
Luke ließ sie ungestört ihren Gedanken nachhängen. Hund rannte voraus, die Nase auf dem Boden, stürmte hierhin und dorthin, verschwand und tauchte wieder auf. Sophia duckte sich unter einem tief hängenden Ast hindurch und sah aus dem Augenwinkel, dass Luke sich zur Seite beugte, um einem anderen auszuweichen. Brombeer sträucher und Stechpalmenbüsche wuchsen dicht um moos bedeckte Eichen. Eichhörnchen hüpften durch die Zweige von Hickorybäumen und schnatterten Warnrufe, gebrochene Sonnenstrahlen fielen durch das Laub und verliehen der Umgebung etwas Mystisches.
»Es ist wunderschön hier draußen«, sagte Sophia. Ihre Stimme klang in ihren Ohren merkwürdig.
Luke drehte sich im Sattel um. »Ich hatte gehofft, dass es dir gefällt.«
»Gehört das Land hier auch dir?«
»Nicht alles. Wir teilen es uns mit einer Nachbarranch. Es dient als Windschutz und Grundstücksgrenze.«
»Reitest du oft hierher?«
»Früher ja. Aber in letzter Zeit nur, wenn einer der Zäune kaputt ist. Manchmal wandern die Rinder in diese Richtung.«
»Und ich dachte schon, das sei deine übliche Tour mit Neueroberungen.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich hab noch nie eine Frau mit hierhergenommen.«
»Warum nicht?«
»Ich bin einfach noch nie auf die Idee gekommen.«
Ihn schien das genauso zu überraschen wie sie. Hund kam an, vergewisserte sich, dass es ihnen gut ging, und trollte sich wieder.
»Erzähl mir von deiner Exfreundin. Angie hieß sie, oder?«
Er rutschte auf dem Sattel herum, sichtlich verblüfft, dass sie sich erinnerte. »Da gibt es nicht viel
Weitere Kostenlose Bücher