Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition)
Linda zeigte darauf.
Sophia kümmerte sich um das Geschirr, und Linda würfelte Tomaten und Gurken, zerkleinerte einen Kopfsalat und mischte alles in einer bunten Schüssel zusammen. Wie aufs Stichwort tauchte Luke mit den Steaks auf.
»Die müssen noch ein paar Minuten ruhen«, sagte er und stellte die Platte auf den Tisch.
»Perfektes Timing«, stellte seine Mutter fest. »Ich fülle nur noch die Bohnen und die Kartoffeln in Schüsseln, dann können wir essen.«
Luke setzte sich. »Also, worüber habt ihr euch unterhalten? Von draußen sah es aus, als wärt ihr knietief in ernste Gespräche versunken.«
»Wir haben über dich geredet«, sagte seine Mutter und drehte sich um, in jeder Hand eine Schüssel.
»Das will ich doch nicht hoffen. So faszinierend bin ich nicht.«
»Was nicht ist, kann ja noch werden«, witzelte Linda, und Sophia musste lachen.
Das Essen verlief entspannt, mit Gelächter und Geschichten. Sophia erzählte ein paar Anekdoten aus ihrem Wohnheim – unter anderem die, dass die Wasserleitungen erneuert werden mussten, weil zu viele Mädchen Bulimie hatten, was die Rohre zerfraß –, und Luke berichtete von ein paar deftigeren Vorfällen während der Rodeotour, zum Beispiel von einem Freund, der in einer Bar eine Frau aufgegabelt hatte, die sich als ... anders als erwartet herausstellte. Linda wiederum gab zum Besten, was Luke als Kind und später in der Highschool alles angestellt hatte, wobei nichts davon allzu haarsträubend war. Natürlich hatte auch er sich ab und zu Ärger eingehandelt, aber darüber hinaus hatte er – neben dem Rodeo – sowohl in der elften als auch in der zwölften Klasse die Schulmeisterschaft im Ringen in seinem Bundesstaat gewonnen. Kein Wunder, dass Brian ihn nicht einschüchtern konnte.
Sophia beobachtete und hörte zu, und Marcias Warnungen verblassten mit jeder Minute mehr. Mit Linda und Luke beisammen zu sein war unkompliziert. Sie unterhiel ten sich auf die gleiche zwanglose, lebhafte Art und Weise wie ihre eigene Familie – ein Unterschied wie Tag und Nacht zu dem verkrampften Umgang in Wake Forest.
Zum Abschluss servierte Linda den Kuchen, der so ungefähr das Köstlichste war, was Sophia je gegessen hatte. Hinterher räumten sie zusammen die Küche auf, Luke spülte, Sophia trocknete ab, und Linda packte die Reste ein.
Der Ablauf ähnelte so tröstlich dem bei ihr zu Hause, dass Sophia an ihre Eltern denken musste und zum ersten Mal überlegte, was diese wohl von Luke halten würden.
A uf dem Weg zur Tür umarmte Sophia Linda, und erneut spürte sie ihre muskulösen Arme. Auch Luke drückte seine Mutter kurz, und sie zwinkerte ihm zu.
»Ich weiß, dass ihr euch noch unterhalten wollt, aber denk bitte dran, dass Sophia morgen Unterricht hat. Und du musst auch früh raus.«
»Ich muss immer früh raus.«
Sie wandte sich an Sophia. »Hat mich sehr gefreut, Sophia. Komm bald mal wieder vorbei, ja?«
»Mache ich«, versprach Sophia.
Als Luke und sie in die kalte Nachtluft traten, hatte der inzwischen noch dichtere Nebel der Landschaft etwas Mystisches verliehen. Sophias Atem bildete kleine Wölkchen, und sie hakte sich bei Luke ein.
»Ich mag deine Mutter«, sagte sie. »Und sie ist ganz anders, als ich sie mir nach deiner Beschreibung vorgestellt hatte.«
»Wie hattest du sie dir denn vorgestellt?«
»Ich dachte, sie würde mich einschüchtern. Oder überhaupt keine Emotionen zeigen. Ich bin schließlich noch nicht vielen Menschen begegnet, die einen ganzen Tag mit gebrochenem Handgelenk rumlaufen können.«
»Sie hat sich heute von ihrer besten Seite gezeigt«, erklärte Luke. »Glaub mir, sie kann auch anders.«
»Zum Beispiel, wenn sie wütend auf dich ist.«
»Zum Beispiel dann«, bestätigte er. »Und auch sonst manchmal. Wenn sie mit Lieferanten verhandelt oder das Vieh auf den Markt kommt, kann sie ziemlich erbarmungslos sein.«
»Sagst du. Ich finde sie lieb und klug und witzig.«
»Das freut mich. Sie mochte dich auch, das hat man gemerkt.«
»Ach ja? Woran denn?«
»Sie hat dich nicht zum Weinen gebracht.«
Sophia stupste ihn. »Sei nett zu deiner Mutter, sonst mache ich auf dem Absatz kehrt und erzähle ihr, wie du über sie redest.«
»Ich bin nett zu meiner Mutter.«
»Nicht immer«, sagte Sophia halb im Scherz, halb herausfordernd. »Sonst wäre sie nicht sauer auf dich gewesen.«
A ls sie bei Lukes Haus ankamen, bat er sie zum ersten Mal hinein. Er ging sofort zum Kamin im Wohnzimmer, in dem schon Holzscheite
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