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Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition)

Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition)

Titel: Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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genommen hat, weiß ich heute noch nicht. Denn sie war außergewöhnlich, ich aber nur Durchschnitt, ein Mann, dessen Hauptleistung im Leben war, sie rückhaltlos zu lieben. Daran wird sich auch nie etwas ändern, aber jetzt bin ich müde und durstig, und ich spüre, wie meine Kräfte schwinden. Ich muss aufhören, mich zu wehren. Es wird Zeit, zu ihr zu gehen, und ich schließe die Augen und denke, wenn ich einschlafe, werde ich für immer bei ihr sein –
    »Du stirbst nicht«, unterbricht Ruth unvermittelt meine Gedanken. Ihre Stimme ist eindringlich. »Ira! Deine Zeit ist noch nicht gekommen. Du wolltest nach Black Mountain, weißt du noch? Du hast noch etwas zu erledigen.«
    »Ja, ich weiß«, sage ich, aber selbst das Flüstern ist eine Qual. Meine Zunge fühlt sich zu groß für meinen Mund an, und der Fremdkörper in meinem Hals ist gewachsen. Ich bekomme schwer Luft. Ich brauche Wasser, Feuchtigkeit, irgendetwas, das mir das Schlucken erleichtert, denn ich muss jetzt schlucken. Atmen ist fast unmöglich. Ich versuche es, aber es kommt nicht genug Sauerstoff herein, und mein Herz hämmert plötzlich gegen meinen Brustkorb.
    Schwindel verzerrt alles um mich herum. Ich sterbe, denke ich. Meine Augen sind geschlossen und ich bin bereit –
    »Ira!«, ruft Ruth und beugt sich zu mir herüber. Sie packt mich am Arm. »Ira! Ich rede mit dir! Komm zu mir zurück!«
    Selbst in meinem Zustand höre ich ihre Angst, obwohl sie sie zu verbergen versucht. Ganz schwach spüre ich, wie sie meinen Arm schüttelt, aber er rührt sich in Wahrheit nicht, noch ein Anzeichen dafür, dass sie nicht real ist.
    »Wasser«, krächze ich.
    »Wir besorgen dir Wasser«, sagt sie. »Jetzt musst du erst einmal atmen, und dazu musst du schlucken. In deiner Kehle verklumpt sich Blut von dem Unfall. Es blockiert die Luftröhre. Deshalb bekommst du keine Luft.«
    Ihre Stimme klingt dünn und fern, und ich antworte nicht. Ich fühle mich betrunken, besinnungslos betrunken. In meinem Kopf dreht sich alles, und meine Stirn liegt auf dem Lenkrad, und ich möchte nur noch schlafen. Langsam entschlummern –
    Erneut rüttelt Ruth an meinem Arm. »Du darfst nicht denken, dass du hier in dem Auto eingeschlossen bist!«, ruft sie.
    »Bin ich aber«, murmele ich. Sogar in meiner Vernebelung weiß ich, dass sich mein Arm überhaupt nicht bewegt hat und ich mir ihre Worte nur einbilde.
    »Du bist am Strand!« Ihr Atem streicht über mein Ohr, plötzlich verführerisch, eine neue Taktik. Ihr Gesicht ist so nahe, dass ich mir vorstelle, das Kitzeln ihrer langen Wimpern zu spüren, die Hitze ihres Atems. »Es ist 1 946. Kannst du dich daran erinnern? Es ist der Morgen, nachdem wir uns zum ersten Mal geliebt haben. Wenn du schluckst, bist du wieder dort. Du bist mit mir am Strand. Weißt du noch, als du aus deinem Zimmer kamst? Ich habe ein Glas Orangensaft eingegossen und es dir gegeben. Ich gebe es dir jetzt ...«
    »Du bist nicht hier.«
    »Ich bin hier, und ich gebe dir das Glas!«, beharrt sie. Als ich die Augen öffne, sehe ich es in ihrer Hand. »Du musst das jetzt sofort trinken.«
    Sie hält es an meine Lippen und neigt es leicht. »Schluck!«, befiehlt sie. »Es macht nichts, wenn du ein bisschen verschüttest.«
    Es ist verrückt, aber diese letzte Bemerkung – das mit dem Verschütten – dringt zu mir durch. Mehr als alles andere erinnert sie mich an Ruth und den strengen Tonfall, den sie immer anschlug, wenn ich etwas Wichtiges für sie tun musste. Ich versuche, zu schlucken, spüre am Anfang nur Schleifpapier und dann ... etwas anderes, etwas, das meine Atmung gänzlich zum Stillstand bringt.
    Und einen Moment lang empfinde ich reine Panik.
    Der Überlebensinstinkt ist mächtig, und was als Nächstes passiert, kann ich ebenso wenig kontrollieren wie mei nen Herzschlag. Ich schlucke automatisch, und danach schlu cke ich weiter, bis die schmerzhafte Empfindlichkeit von einem säuerlichen Kupfergeschmack abgelöst wird, und ich höre nicht einmal auf, als der Geschmack schließlich in meinen Magen weitergerutscht ist.
    Die ganze Zeit über bleibt mein Kopf auf das Lenkrad gepresst, und ich keuche immer noch wie ein überhitzter Hund, bis ich endlich wieder normal atme. Und mit dem Atem kehren auch die Erinnerungen zurück.
    R uth und ich frühstückten mit ihren Eltern und verbrach ten dann den restlichen Vormittag am Strand, während ihre Eltern auf der Veranda lasen. Am Horizont hatten sich erste Wolken zusammengeballt, und der Wind

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