Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition)

Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition)

Titel: Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
Vom Netzwerk:
aufzubringen, dich zu fragen, ob ich dich nach Hause begleiten darf.«
    »Nein.« Sie schüttelt den Kopf. Auch wenn ihr Bild verschwommen ist, klingt ihre Stimme jugendlich, wie die der Sechzehnjährigen vor so langer Zeit. »Danach habe ich dich oft in der Synagoge gesehen, und du hast mich nicht ein einziges Mal gefragt. Manchmal habe ich sogar auf dich gewartet, aber du bist immer wortlos an mir vorbeigegangen.«
    »Du konntest kein Englisch.«
    »Zu dem Zeitpunkt habe ich schon mehr verstanden und konnte auch ein bisschen sprechen. Wenn du gefragt hättest, hätte ich geantwortet: ›Gut, Ira. Ich gehe mit dir.‹«
    Die letzten Sätze sagt sie mit Akzent. Wienerisch, weich und melodisch. Singend. In späteren Jahren wurde dieser Akzent weniger, aber ganz verschwunden ist er nie.
    »Deine Eltern hätten es nicht erlaubt.«
    »Meine Mutter schon. Sie mochte dich. Deine Mutter hatte ihr erzählt, dass dir eines Tages das Geschäft gehören würde.«
    »Wusste ich’s doch! Ich hatte immer den Verdacht, dass du mich wegen meines Geldes geheiratet hast.«
    »Welches Geld? Du hattest kein Geld. Hätte ich einen reichen Mann gewollt, hätte ich David Epstein geheiratet. Seinem Vater gehörte die Tuchfabrik, und sie wohnten in einer Villa.«
    Auch das war ein beliebter Witz in unserer Ehe. Meine Mutter hatte zwar die Wahrheit gesagt, aber selbst sie wusste, dass man mit dieser Art von Laden nicht reich werden konnte. Er fing als kleines Geschäft an und blieb es auch bis zu dem Tag, an dem ich ihn schließlich verkaufte und mich zur Ruhe setzte.
    »Ich weiß noch, dass ich euch in der Eisdiele auf der anderen Straßenseite sitzen sah. Im Sommer hast du dich dort fast jeden Tag mit David getroffen.«
    »Ich mochte Schoko-Soda-Eisbecher. Die hatte ich vorher noch nie gegessen.«
    »Ich war eifersüchtig.«
    »Und das zu Recht«, sagt sie. »Er war reich und gut aussehend, und seine Ohren waren makellos.«
    Ich lächele. Ich wünschte, ich könnte sie besser sehen, aber die Dunkelheit verhindert das. »Eine Zeit lang dachte ich, ihr beide würdet heiraten.«
    »Er hat mir mehr als einen Antrag gemacht, und ich habe ihm immer geantwortet, ich sei zu jung und er müsse warten, bis ich mit dem College fertig sei. Aber ich habe ihn angelogen. In Wahrheit hatte ich ein Auge auf dich geworfen. Deshalb wollte ich immer unbedingt in die Eisdiele gegenüber von eurem Geschäft gehen.«
    Das wusste ich natürlich schon. Aber ich höre es gern von ihr.
    »Ich stand am Fenster und habe euch beobachtet, wenn ihr dort saßt.«
    »Manchmal habe ich dich gesehen.« Sie lächelt. »Einmal habe ich sogar gewunken, und trotzdem hast du mich nie gebeten, mit dir spazieren zu gehen.«
    »David war mein Freund.«
    Das stimmt, und er blieb es den Großteil unseres Lebens. Wir hatten viel Kontakt mit David und seiner Frau Rachel, und Ruth gab einem ihrer Kinder Nachhilfe.
    »Mit Freundschaft hatte das nichts zu tun. Du hattest Angst vor mir. Du warst immer schüchtern.«
    »Da musst du mich mit jemandem verwechseln. Ich war flott, ein Charmeur, ein junger Frank Sinatra. Manchmal musste ich mich vor den vielen Frauen verstecken, die mir nachliefen.«
    »Du hast beim Gehen auf deine Füße gestarrt und bist rot geworden, wenn ich dir gewunken habe. Und dann, im August, bist du weggezogen. Zum Studieren.«
    Mein College war das William & Mary in Williamsburg, Virginia, und ich kehrte erst im Dezember zu Besuch zurück. Ruth sah ich in diesem Monat zweimal in der Synagoge, beide Male von Weitem, bevor ich wieder zum College musste. Im Mai kam ich abermals, um den Sommer über im Geschäft zu arbeiten, und zu dem Zeitpunkt wütete in Europa bereits der Zweite Weltkrieg. Hitler hatte Polen und Norwegen überfallen, Belgien, Luxemburg und die Niederlande bezwungen und machte Hackfleisch aus den Franzosen. In jeder Zeitung, in jedem Ge spräch ging es nur um den Krieg. Niemand wusste, ob sich Amerika an dem Konflikt beteiligen würde, und die Stim mung war düster. Wochen später sollte der Krieg für Frank reich vorbei sein.
    »Du hast dich immer noch mit David getroffen, als ich zurückkam.«
    »Aber ich hatte mich in dem Jahr, in dem du fort warst, auch mit deiner Mutter angefreundet. Während mein Vater arbeitete, gingen meine Mutter und ich zu euch in den Laden. Wir unterhielten uns über Wien und unser altes Leben. Meine Mutter und ich hatten selbstverständlich Heimweh, aber ich war auch wütend. Mir gefiel North Carolina nicht. Mir gefiel dieses

Weitere Kostenlose Bücher