Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition)
Die Journalistin vom New Yorker hat es überhaupt nicht beachtet, und ich habe mir nicht die Mühe gemacht, ihr zu erklären, warum es mir so wichtig ist, weil ich wusste, sie würde es nicht begreifen. Sie hat ja nicht einmal verstanden, was ich damit meinte, dass der Geldwert von Kunst mir nichts bedeutet. Das Einzige, was sie offenbar wissen wollte, war, was uns befähigt hatte, die Stücke unserer Sammlung auszuwählen, aber selbst nachdem ich es ihr erklärt hatte, wirkte sie nicht überzeugt.
»Warum hat sie es nicht verstanden?«, fragt Ruth plötzlich.
»Weiß ich auch nicht.«
»Hast du zu ihr gesagt, was du immer gesagt hast?«
»Ja.«
»Was ist dann daran so schwierig zu verstehen? Ich habe bei dem jeweiligen Werk immer erklärt, auf welche Art es mich berührte ...«
»Und ich habe dich einfach beim Reden beobachtet«, beende ich den Satz für sie. »Und wusste dann, ob ich es kaufen sollte oder nicht.«
Das war keine wissenschaftliche Methode, aber für uns funktionierte sie. Und auf jener ersten Reise klappte es bereits reibungslos, obwohl wir beide die Konse quenzen erst fünfzig Jahre später voll und ganz verstehen würden.
Nicht jedes Paar kauft in seinen Flitterwochen Gemälde von Ken Noland und Ray Johnson. Oder sogar ein Bild von Ruths neuer Freundin Elaine, deren Werke heute in den besten Museen der Welt hängen, einschließlich des Metropolitan Museum of Art. Und natürlich ist es fast unvorstellbar, dass Ruth und ich nicht nur ein sensationelles Gemälde von Robert Rauschenberg ergattern konnten, sondern dazu noch zwei von Elaines Mann, Willem de Kooning.
KAPITEL 1 5
Luke
Er hatte Sophia zwar schon seit dem Rodeo in McLeansville nie mehr ganz aus dem Kopf bekommen, aber am Tag nach dem Essen bei seiner Mutter beherrschte sie seine Gedanken vollständig. Während er auf der hinteren Weide ein paar Zaunpfosten ersetzte, die zu faulen begonnen hatten, trug er ständig ein Lächeln im Gesicht. Selbst der Regen, ein kalter Herbstguss, der ihn bis auf die Knochen durchweichte, konnte seiner Laune kaum etwas anhaben. Später, beim Essen, gab seine Mutter sich nicht die geringste Mühe, ihr Grinsen zu verstecken. Es verriet ihm, dass sie genau wusste, welchen Effekt Sophia auf ihn hatte.
Nach dem Abendessen rief er sie an, und sie unterhielten sich eine Stunde lang, und die nächsten beiden Tage verliefen nach dem gleichen Muster. Am Donnerstagabend fuhr er nach Wake Forest, und sie hatten endlich Gelegenheit, über den Campus zu spazieren. Sophia zeigte ihm Wait Chapel und Reynolds Hall und hielt seine Hand, als sie über Hearn Plaza und Manchester Plaza schlenderten. Es war still auf dem Gelände, die Unterrichtsräume waren längst leer. Das Laub türmte sich auf dem Boden unter den Bäumen. In den Wohnheimen brannte Licht, und Luke hörte von irgendwoher leise Musik. Die Studenten bereiteten sich allmählich auf das Wochenende vor.
Am Samstag kam Sophia wieder zur Ranch. Sie machten einen kurzen Ausritt, und hinterher begleitete sie Luke bei seiner Arbeitsrunde und ging ihm zur Hand, wo sie konnte. Wie beim letzten Besuch aßen sie bei seiner Mutter und gingen hinterher zu Luke, und das knisternde Feuer war so einladend wie beim ersten Mal. Als es allmählich herunterbrannte, machte sich Sophia auf den Heimweg, doch am nächsten Tag fuhren sie zusammen in den Pilot Mountain State Park. Sie wanderten den Big Pinnacle hinauf, wo sie Picknick machten und die Aussicht genossen. Die herbstliche Farbenpracht hatten sie zwar um etwa eine Woche verpasst, aber unter dem wolkenlosen Himmel konnte man bis nach Virginia sehen.
In der Woche nach Halloween lud Sophia Luke wieder in ihr Wohnheim ein. Sie veranstalteten nämlich am Sams tag eine Party. Offensichtlich war der Reiz des Neuen hin sichtlich seines Berufs und seiner Beziehung zu Sophia seit seinem ersten Besuch verflogen, denn nach der ersten Begrüßung beachtete ihn niemand mehr. Er hielt Ausschau nach Brian, der sich jedoch nicht blicken ließ. Als er und Sophia gingen, sprach er sie darauf an.
»Er ist zu einem Footballspiel in Clemson gefahren«, erklärte Sophia ihm.
Am folgenden Vormittag holte er sie ab, und sie sahen sich zusammen das Museum Old Salem an und fuhren danach zur Ranch, um das dritte Wochenende in Folge bei Lukes Mutter zu essen. Später, als sie sich neben Sophias Auto verabschiedeten, fragte er, ob sie am nächsten Samstag Zeit habe, er wolle mit ihr an den Ort fahren, wo er als Kind seine Urlaube verbracht
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