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Kein Paar wie wir

Titel: Kein Paar wie wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eberhard Rathgeb
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Tropfen Alkohol zu sich, dachten sie.
    »Und dann?«, fragte Vika. Sie wusste, was dann kam.
    »Er war stinksauer, wie ein kleiner Junge, der nicht bekam, was er sich wünschte. Und ich war empört. Ich sagte ihm auf den Kopf zu, jetzt höre der Spaß auf, und wünschte ihm eine gute Nacht.«
    »Jetzt hört der Spaß auf«, wiederholte Vika.
    Sie denken nur an sich, dachte sie. Egoisten. Man muss sich vor ihnen in Acht nehmen. Sie sind freundlich, weil sie etwas von einem wollen.
    »Und darauf zog er beleidigt ab. Erst sind sie freundlich, und dann, wenn sie mit ihrer Freundlichkeit nicht erreichen, was sie sich vorgenommen haben, sind sie beleidigt.«
    »Diese Heuchler. Man kann ihnen nicht trauen. Man muss sich vor ihnen in Acht nehmen.«
    »Es ist immer das Gleiche«, sagte Ruth.
    Sie schwiegen. Das Gespräch über die Männer hatte sie erschöpft. Es gab über die Männer nichts Neues zu berichten. Was sie darüber wussten, hatten sie sich schon oft mitgeteilt.
    Sie hatten Zeit, sie konnten warten, die nächste Geschichte würde von alleine kommen. Sie brauchten sich deswegen keine Sorgen zu machen.
    Ruth massierte sich ihren Unterarm und drehte an ihren Armbändern wie an einem Glücksrad.
    »Tut dir etwas weh?«, fragte Vika.
    »Nein, nein.«
    Wir werden, dachten sie, bald aufstehen, in die Küche gehen und uns dort auf die beiden Hocker setzen, Tee trinken und ein Stück Kuchen essen.
    Wenn sie in der Küche aßen, hatten sie schnell für sich gedeckt. Sie mussten keine langen Wege von der Küche ins Wohnzimmer auf sich nehmen. Die Hocker standen nicht an einem Küchentisch, sondern vor einem Regal, in dem das Besteck und das Geschirr verwahrt wurden, das die beiden Frauen täglich verwendeten. Die untere breitere Hälfte des Regals bot genug Platz für zwei Teller und zwei Tassen.
    Auf den Hockern zu sitzen war auf Dauer unbequem, weshalb die Schwestern, wenn sie sich hier niederließen, kein neues Gespräch anfingen. Sie konzentrierten sich auf den Tee und den Kuchen. Die Sätze, die hier fielen, waren nie mehr als ein schwacher Nachklang dessen, was sie auf dem Sofa im Wohnzimmer besprochen hatten.
    »Sie haben dich nicht rumgekriegt.«
    »Wer?«, fragte Ruth und nahm ein Stück Kuchen auf die Gabel.
    »Die Männer, die etwas von dir wollten«, sagte Vika und beobachtete den Kuchen auf der Gabel ihrer Schwester, der herunterzufallen drohte.
    »Nein, das haben sie nicht«, sagte Ruth geistesabwesend und schob sich die Gabel mit dem Kuchenstück in den Mund.

  6
    Sie wuchsen in einem Dorf auf , umgeben von Wiesen und Feldern. Auf der Deutschlandkarte im Schulatlas ihres Vaters war das Dorf nicht verzeichnet. Sie hatten dort danach gesucht und sich dann zur Orientierung mit nahe gelegenen größeren Städten begnügen müssen. Die Eltern wohnten im Haus der Großeltern. Milch holten die beiden Mädchen beim Bauern, Gemüse und Obst erntete die Mutter im eigenen Garten. Die Familie war streng katholisch und gegen Hitler. Doch als es so weit war, zogen die Männer für Hitler in den Krieg.
    Sie besaßen eine Fotografie, auf der das Haus zu sehen war, in dem sie geboren worden waren. Es lag allein auf weiter Flur, ohne unmittelbare Nachbarn, und machte einen freundlichen, einladenden Eindruck, von dem man sofort auf die Bewohner schloss. Welches Kind wäre hier nicht glücklich gewesen.
    Aber die wirtschaftlichen und politischen Veränderungen erreichten auch dieses abgelegene Dorf und stürzten die Mutter ins Unglück, die ihre Heimat verlassen und an der Seite ihres Mannes, zwei kleine Kinder an jeder Hand, in die Fremde ziehen musste.
    »Mutter aß zu viel Fleisch«, sagte Vika. »Das viele Fleisch machte sie melancholisch. Man soll nicht so viel Fleisch essen. Ein-, höchstens zweimal in der Woche. Das reicht.«
    Sie saßen vor ihren Steaks. Heute war Sonntag, das Café hatte geschlossen und sie hatten selber kochen müssen. Steak mit Salat war einfach zuzubereiten. Vika briet das Fleisch in der Pfanne. Ruth zupfte an den Salatblättern.
    »Das Steak schmeckt vorzüglich«, lobte Ruth.
    »Sonntags machte Mutter einen Rinderbraten«, sagte Vika.
    »Vater wollte am Sonntag Rinderbraten mit Kartoffeln essen. Nie aßen wir sonntags etwas anderes als Rinderbraten mit Kartoffeln. Hätten wir nicht gewusst, welcher Tag war, hätten wir nur auf unsere Teller schauen müssen.«
    »Die geliebte deutsche Küche.«
    »Mutter besaß ein deutsches Kochbuch«, sagte Vika.
    »Wir schenkten es dem Altersheim.«
    Was

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