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Kein Schatten ohne Licht

Kein Schatten ohne Licht

Titel: Kein Schatten ohne Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Guenter
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Faust gegen eines von Gregors vielen Bücherregalen. Melica würde das Knacken wohl niemals aus ihrem Kopf bekommen.
    „ Verdammt!“, fauchte Timon schmerzerfüllt und rieb sich seine verletzte Hand. „Verdammt, verdammt, verdammt!“
    „ Wir haben verstanden, dass irgendetwas nicht zu deiner vollsten Zufriedenheit verläuft. Allerdings gibt dir das nicht das Recht, in meinem Büro mit Obszönitäten um dich zu werfen, zumal diese keinerlei Funktion erfüllen.“
    „ Ihr versteht nichts, oder?“, fragte Timon wütend. „Wir haben verloren! Wir haben endgültig verloren! Dieser Mann, den sie haben! Er hat Informationen! Wichtige Informationen!“
    „ Was offenbar der Grund dafür ist, dass sie ihn mitgenommen haben“, erwiderte Isak trocken.
    Timon schüttelte erneut heftig mit dem Kopf. Dann war er auf einmal ganz still. „Wir müssen ihn in Sicherheit bringen“, flüsterte er schließlich und warf Gregor einen flehenden Blick zu. „Gregor! Du musst mir helfen!“
    Es war fast schon ekelerregend, welch sichtbare Genugtuung Timons Worte bei Gregor auslösten. Gönnerhaft lächelte er den Nayiga an. „Es ist interessant, wie schnell Neuankömmlinge denken, sie wären in der Position, Forderungen zu stellen. Die Menschen haben dazu ein köstliches Sprichwort, das, obwohl es natürlich banal scheint, den Kern perfekt trifft. Es nennt sich: reicht man-“
    „ Wir haben keine Zeit für solchen Schwachsinn!“ Man sagte, der Mensch lerne aus seinen Fehlern. Nun, ganz offensichtlich traf das nicht auf Dämonen zu.
    Gregors rote Gesichtsfarbe sah ziemlich ungesund aus. „Du verlangst meine Hilfe und lässt mich noch nicht einmal meine Sätze beenden?“
    „ Du verstehst ja auch nicht, wie wichtig das alles ist! Ihr behauptet von euch, ihr würdet den Menschen helfen wollen und Diana bekämpfen, aber wenn es darum geht, wirklich etwas zu leisten, dann versteckt ihr euch hinter unnötigen Benimmregeln!“
    „ Wenn das deine Meinung zu unserer Gemeinschaft ist, dann steht es dir jederzeit frei, das Antrum zu verlassen“, erinnerte Gregor ihn kühl.
    „ Aber das will ich doch gar-“ Zur Abwechslung einmal unterbrach sich Timon selbst. „Das werde ich wohl tun müssen“, verkündete er dann entschlossen, wandte sich um und verließ das Büro.
    Schweigen. Nach außen genau wie nach innen. Melicas Kopf war so leer von Gedanken wie Gregors Büro von Worten. Zumindest für einen kurzen Moment, denn zumindest Ersteres änderte sich schnell, Fragmente stürmten zurück in ihren Verstand, setzten sich zusammen und ergaben etwas, das Melica seit einigen Wochen vergeblich suchte: so etwas wie Sinn.
    „ Sollten wir ihm nicht eigentlich helfen?“
    „ Ich hätte Sie als klug genug eingeschätzt, um zu bemerken, wie wenig Wahrheit in den Worten des Nayigas lag.“
    Unsicher sah Melica Gregor an. „Was, wenn Sie sich irren?“
    Wenn sie einen Witz gemacht hätte, dann hätte sie das doch mitbekommen, oder?
    Eigentlich ja schon. Und sie war sich ziemlich sicher, dass sie nichts Witziges von sich gegeben hatte. Weshalb es sich auch vollkommen ihrer Kenntnis entzog, warum Gregor mit einem Mal damit begann, Tränen zu lachen.
    Sie wollte es auch gar nicht verstehen. Mit einem leisen Seufzen kehrte sie den anderen den Rücken zu und verließ den Raum. Dann machte sie sich auf die Suche nach Timon. Wovon auch immer er gesprochen hatte – im Gegensatz zu Gregor hatte sie ihm geglaubt. Vielleicht war sie in Zanes Augen ja eine erbärmliche Heldin, doch wenn er sie eines gelehrt hatte, dann, dass es nichts brachte, die Augen vor der Wahrheit zu verschließen. Sie war schon viel zu oft daran gescheitert.

~*~
    In der zweiten Klasse hatte Lukas Fischer behauptet, sie hätte eine schlechte Menschenkenntnis. Dabei hatte er ein ganz widerliches Grinsen im Gesicht gehabt und sich unglaublich schlau gefühlt, weil er jemanden mit Worten wie „Menschenkenntnis“ beleidigen konnte. Jetzt, rund zehn Jahre später, bereitete es Melica unverhohlene Genugtuung, als sie erkannte, dass er sich damals geirrt haben musste. Mit einer schlechten Menschenkenntnis hätte sie Timon niemals an diesem Ort gefunden.
    Mit Ausnahme von Timon und Renate war niemand auf der Krankenstation zu entdecken. Was Melica auch nicht sonderlich überraschte: wenn Gregor jeden Schattenkrieger von Konflikten fernhielt, war die Wahrscheinlichkeit eher gering, dass sich jemand verletzte.
    Timon hob aufgeschreckt den Kopf, als sie die Station betrat. Er entspannte

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