Kein Schatten ohne Licht
sich zwar, als er sie erkannte, doch von wirklicher Gelassenheit schien er in diesem Moment meilenweit entfernt zu sein. „Willst du mir Vorwürfe machen?“
„ Ich?“ Von all den Dingen, die er hätte sagen können, hatte sie diese Frage wohl am meisten überrascht. „Warum sollte ich dir Vorwürfe machen? Du hast doch nichts falsch gemacht.“
Timon stieß einen Laut des Triumphs aus. „Siehst du, Renate? Ich hab dir doch gesagt, dass ich nicht schuld bin!“
Timons giftigen Blick kommentierte Renate nur mit einem Achselzucken. „Dann muss ich mich wohl bei dir entschuldigen“, sagte sie, doch man spürte deutlich, dass ihr ein jedes Wort die unerträglichsten Schmerzen bereitete. „Ich hätte nur nicht gedacht, dass Gregor so unvernünftig reagiert.“ Wenn man sich überlegte, wie sehr sie den alten Mann vergötterte, kam dieses Geständnis wohl einem Weltwunder gleich.
Vorsichtig sah Melica Timon an. „Also stimmt es tatsächlich? Du weißt, wie wir Diana einen Strich durch die Rechnung machen können?“
„ Ich weiß nicht, ob wir mit meinem Wissen gewinnen können. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich sie damit zum Weinen bringen könnte“, antwortete Timon mit einem Schulterzucken. „Und allein für diesen Triumph würde ich alles tun.“
Melica zögerte keine Sekunde. „Wie kann ich dir helfen?“
Hoffnung stahl sich auf Timons Gesicht. Mit einem schwachen Lächeln blickte er sie an. „Wir müssen so schnell wie möglich nach Irland. Wenn du also jemanden kennst, der uns seinen Jet zur Verfügung stellt, wäre das eine riesige Hilfe!“
„ Isak kann uns fliegen.“
So wirklich überzeugt sah Timon nicht aus. „Ich glaube kaum, dass er sich darauf einlässt.“
„ Er muss es tun!“ Melica lachte trocken auf. „Irgendetwas muss er mir ja zum Geburtstag schenken.“
~*~
Es dämmerte bereits, als Melica Isak endlich dazu überreden konnte, mit ihnen zu fliegen. Sie selbst fand ihre Argumente überzeugend – ihr Onkel leider nicht. Melica würde nicht darauf wetten, doch sie war sich ziemlich sicher, dass Isak nicht mit ihnen kam, weil sie die Diskussion gewonnen hatte. Sondern schlicht und einfach aus dem Grund, dass er keine Lust mehr hatte, weiter von ihr belästigt zu werden.
Jetzt allerdings, wo sie in dem Flugzeug saßen und langsam über das tiefe Blau des Atlantiks hinwegglitten, war es egal, warum er sie begleitete. Sie dachte stattdessen viel lieber über ihre Karrierechancen nach. Drei Länder an einem Tag waren eigentlich ein ziemlich guter Schnitt. Sollte sie irgendwann einmal in die Verlegenheit kommen, sich bei einem Unternehmen um einen Job bewerben zu müssen, kämen ihre Auslandserfahrungen mit Sicherheit sehr gut an. Unfassbar, was für gigantische Vorteile einem die Schattenkrieger doch für seinen Lebenslauf brachten. Ihr ironisches Lächeln blieb nicht unbemerkt.
„ Du scheinst wohl keine Angst zu haben?“, fragte Timon neugierig.
Mit seiner Frage verwirrte er Melica vollkommen. „Ich wusste nicht, dass es gefährlich werden würde“, entgegnete sie perplex. „Hättest du mir das nicht vielleicht früher verraten können?“
„ Ich mache mir keine Sorgen darum, dass du vielleicht sterben könntest.“
Melica musterte ihn prüfend. „Ich bin mir fast sicher, dass das so etwas wie eine Beleidigung war“, stellte sie schließlich fest.
„ Überhaupt nicht“, antwortete Timon. „Ich weiß nur von der Prophezeiung. Renate hat mir davon erzählt. Wenn du, Isak und der Sarcone die Auserwählten seid, könnt ihr nicht sterben. Muss ziemlich beruhigend sein.“
„ Das wäre es wahrscheinlich, wenn so etwas wie Prophezeiungen existieren würden.“ Ein Schauer lief ihr über den Rücken, als sie sich an das Gefühl von Vanessas Händen erinnerte, die sich mit jeder Sekunde fester um ihren Hals geschlossen hatte. Sie hatte sich alles andere als unbesiegbar gefühlt.
„ Prophezeiungen existieren! Wir Dämonen glauben-“
„ Schon seit Jahrtausenden daran. Und noch nie hat es einer von uns bereut“, fiel Melica ihm ins Wort und lächelte müde, als Timon sein Gesicht verzog. „Fühlt sich gar nicht mal so gut an, wenn man unterbrochen wird, was?“
„ Du kannst mich so viel unterbrechen, wie du willst. Es stört mich nur, dass du nicht verstehst, wie mächtig Prophezeiungen doch sind.“
„ Du ahnst gar nicht, wie oft ich diese Diskussion in den letzten Monaten schon führen durfte. Im Moment habe ich alles andere als Lust darauf. Können
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