Kein Schatten ohne Licht
wir uns nicht über etwas anderes unterhalten? Zum Beispiel darüber, was wir überhaupt in Irland wollen?“
„ Das würde mich auch interessieren.“ So wie es aussah, war Zane nicht der einzige Dämon, der auf den Autopiloten vertraute. Die verschränkten Arme hingegen und die hängenden Schultern, einfach seine gesamte lässige Haltung passte nicht zu Isak. Denn so sehr er sich auch bemühte, gelassen zu wirken, war die Sorge in seinen hellen Augen nicht zu übersehen.
„ Seit wann interessiert es dich denn, was ich zu sagen habe?“, fragte Timon mit einem Ton in der Stimme, der Melica zutiefst überraschte. Er verwunderte sie sogar noch mehr als seine Frage selbst, denn sie hatte Schmerz gehört und Enttäuschung.
„ Ich interessiere mich doch schon die ganze Zeit-“
„ Dich habe ich nicht damit gemeint!“ Wo auch immer Timon herkam, es schien dort wirklich nicht zur Etikette gehören, andere aussprechen zu lassen. Jeglicher Protest erstarb jedoch auf ihren Lippen, als sich Timons Miene verzerrte. Unverhohlene Verbitterung eroberte seine Züge, so tief, dass sogar Melica meinte, sich von einer Welle der Enttäuschung davontragen lassen zu können. „Ich rede mit dir, Isak! Was hast du eigentlich gegen mich? Ist es, weil ich schwarz bin?“
„ Man könnte meinen, du selbst hättest ein Problem mit deiner Hautfarbe! Es ist doch nicht normal, wie oft du davon sprichst!“, fauchte Isak und seine Stimme überschlug sich fast vor Wut.
Jäh überfiel Melica das Gefühl, sich im falschen Film zu befinden. Das hier, das alles, machte keinen Sinn. Der Zorn beider Männer schien völlig aus der Luft gegriffen zu sein! Irgendetwas musste sie einfach verpasst haben, doch gleichzeitig war sie sich sicher, dass nichts zwischen den beiden Dämonen vorgefallen war, das eine solche Reaktion gerechtfertigt hätte. Wann denn auch?
„ Ähm“, sie räusperte sich verlegen. Und wurde ignoriert. Anstelle ihr auch nur einen kurzen Blick zuzuwerfen, starrten sich die beiden Männer an, beide unübersehbar in der Hoffnung, als Erster so etwas wie einen Todesblick zu schaffen und den anderen leblos zu Boden fallen zu sehen. „Ich habe keine Ahnung, was hier abgeht. Könntet ihr mich vielleicht bitte aufklären?“
Erschrocken fuhr Isak zusammen, aus Gründen, die Melica nicht einmal ansatzweise verstehen konnte. „Hier geht gar nichts ab!“ Seine Stimme zitterte.
Und als wäre dies irgendein geheimes Zeichen gewesen, blitzte mit einem Mal Erkenntnis in Timons Augen auf. Die Wut verschwand in Sekundenschnelle von seinem Gesicht, machte einem Ausdruck von leiser Verwirrung Platz. Unsicher blickte er Isak an. „Ich...“
Ihr Onkel sah aus, als wäre er am Süßigkeitenschrank seiner Eltern ertappt worden. Was unter normalen Umständen wahrscheinlich ganz süß, in dieser Situation aber eher seltsam war. Er sagte nichts, warf Timon einen schmerzerfüllten Blick zu. Dann wandte er sich ab und verschwand ohne auch nur ein Wort zu sagen in der Pilotenkabine.
„ Wow. Das war aufschlussreich.“ Ironie troff aus Melicas Worten.
Timon ignorierte sie trotzdem. Mit verklärtem Gesichtsausdruck starrte er an ihr vorbei, mit den Gedanken schien er überall zu sein, aber nicht in diesem Raum.
Ein Seufzen verließ ihre Lippen und sie schloss die Augen. Irgendwann würde sie lernen, Geheimnisse einfach hinzunehmen, anstelle sich über sie aufzuregen, da war sie sich ganz sicher. Irgendwann würden ihr Situationen wie die gerade eben nichts mehr ausmachen. Doch heute war nicht irgendwann. Heute war heute. Und heute würde sie lieber sterben, als sich mit einem feigen Schweigen zufriedenzugeben. „Was ist da gerade passiert?“
„ Hm?“, machte Timon.
Melica öffnete ihre Augen wieder. „Was sollte das? Warum hasst ihr euch beide so?“
„ Ich hasse Isak nicht.“
„ Warum benimmst du dich dann so?“
Nachdenklich blickte Timon aus dem Fenster. „Du musst mit ihm darüber sprechen, nicht mit mir. Er muss es dir selbst erklären.“
Oh. Das klang ernster als befürchtet. Ein Funken Angst stieg in ihr auf, entfachte und wurde mit jedem ihrer so zur Gewohnheit gewordenen Atemzüge größer, stärker und mächtiger. „Es“, begann sie leise. „Es ist doch nichts Schlimmes, oder?“
„ Das kommt wohl ganz darauf an, wen du fragst“, seufzte Timon und rieb sich erschöpft die Stirn. „Aber du musst dir keine Sorgen machen. Isak wird mit dir darüber sprechen. Irgendwann. Du brauchst nur Geduld.“
Geduld? Melica
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