Kein Schatten ohne Licht
Alptraum verwandeln konnte. Heute Morgen war ihre größte Sorge noch ihr verschwundenes Handy gewesen und jetzt? Jetzt befand sie sich in den Händen eines furchteinflößenden Psychopathen, ohne Hoffnung, ohne Mut. Alles, was ihr Leben lebenswert gemacht hatte, war ihr genommen worden. Kein Jim, keine Paula, keine Liv. Erschüttert lehnte sie ihre Stirn gegen die raue Wand. „Luzius ist kein Mensch“, murmelte sie dann. Ein Teil von ihr konnte noch immer nicht glauben, dass diese Worte tatsächlich ihren Mund verließen. Wenn es eine andere Erklärung für diese seltsamen Vorkommnisse gab, dann würde Melica sie ohne zu Zögern schlucken. Doch es gab einfach keine. Und so war sie nicht auch sonderlich überrascht, dass Diana ihr zustimmte: „Du hast recht.“
„ Was... was ist er dann?“ Eigentlich wollte sie die Antwort gar nicht hören.
Diana starrte sie an, als zweifele sie an ihrer Intelligenz. „Sein Name ist Luzius. Luzius. Luzifer. Na? Klingelt da etwas bei dir?“
Melica entglitten alle Gesichtszüge. „Er ist der Teufel?“
„ Ja“, Diana schien das nicht einmal ansatzweise so schockierend zu finden wie Melica. „Du kannst richtig stolz auf dich sein. Nicht jede wird dafür auserkoren, Luzifers Gemahlin zu werden.“
Die Welt verschwamm vor Melicas Augen, wurde immer dunkler und war irgendwann nicht mehr zu erkennen. Melicas Sinne schwanden, sie sah nichts mehr, roch nichts mehr, fühlte nichts mehr. Das Einzige, was blieb, waren die Geräusche. Immer und immer wieder ertönten Dianas Worte in ihrem Verstand, wiederholten sich wie ein viel zu lautes, viel zu wütendes Mantra. Die heraneilende Ohnmacht empfand Melica fast schon als Erlösung.
~*~
Melica fühlte sich wie auf rosaroten Wolken gebettet. Um sie herum war es wunderbar warm und weich. Sie hatte noch nie so bequem gelegen, sich noch nie so traumhaft geborgen und geliebt gefühlt. Noch wollte sie nicht aufwachen. Sie blieb lieber hier, in diesem wunderschönen Zustand zwischen Traum und Realität gefangen. Doch langsam verflüchtete sich ihre Müdigkeit. Sie rannte förmlich von ihr davon, unbeirrt, ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen. Melica schreckte auf, blickte sich panisch um.
Ein Hotelzimmer. Cremefarbene Wände, dunkelroter, weicher Teppichboden. Ein großer Spiegel, direkt vor ihrem Bett. Rote, voluminöse Vorhänge vor den gigantischen Fenstern. Alles wirkte unsagbar teuer. Und warm. Doch Glück und Zufriedenheit waren die letzten Gefühle, die in diesem Augenblick in Melica aufstiegen. Sie ließ sich zurück auf Rücken fallen, versuchte erbittert, ihre Verzweiflung niederzukämpfen. Wie viel hatte sie doch gebetet, dass es sich bei ihrer Entführung nur um einen abgedrehten Alptraum handelte! Doch allem Anschein nach hatte Diana recht gehabt. Gott mischte sich tatsächlich nicht in ihre Belange ein, ließ sie hilflos und allein zurück.
„ Schön, dass du endlich wach bist.“
Luzius sanfte Stimme ließ Melica aufschrecken. Von einer Sekunde auf die andere stand derjenige vor ihr, dessen Existenz sie ihr ganzes Leben lang als blankes Hirngespinst abgetan hatte. Luzifer. Der Teufel. Der Verursacher alles Schlechtem auf der Welt. Personifizierung des Bösen. Von Gott in die Hölle verbannt. Blond und knapp 1,70 Meter groß.
„ Diana sagte, dass du recht bald schlafen gegangen bist“, sagte er, während er sich vorsichtig auf ihr Bett setzte. Er musterte sie aufmerksam. „Du musst sehr müde gewesen sein.“
Also hatte Diana ihm verschwiegen, dass sie vor Entsetzen das Bewusstsein verloren hatte. Melica antwortete nicht. Sie tat nicht mehr, als ihn anzustarren. Ängstlich. Verzweifelt. Vollkommen panisch.
Ein Seufzen sprang von Luzius Lippen und er schüttelte leicht den Kopf. „Diana hat dir also verraten, wer ich bin.“ Er seufzte erneut. „Es tut mir leid. Ich hätte es dir lieber selbst gesagt.“
Er schwieg und Melica wurde schlagartig klar, dass er auf eine Antwort von ihr wartete. Nun, da musste sie ihn wohl enttäuschen. Ihr Hals fühlte sich an wie eine Ruine. Sie bezweifelte, dass sie jemals wieder würde sprechen können. Nicht, dass sie es überhaupt wollte.
Luzius so harmlos wirkendes Gesicht verzog sich zu einer Fratze. Mit einem Mal wirkte er rein gar nicht mehr unschuldig, sondern verschlagen und hinterhältig. Dann, nur einen Wimpernschlag später, war sein freundlicher Ausdruck zurück. „Ich mag es nicht, wenn du Angst vor mir hast. Bei jedem Anderen wäre ich glücklich darüber,
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