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Kein Schatten ohne Licht

Kein Schatten ohne Licht

Titel: Kein Schatten ohne Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Guenter
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skeptisch. „Luzius wird dir den Kopf abreißen, wenn er herausfindet, dass ich verschwunden bin.“
    „ Das würde er“, bestätigte Diana. „Trotzdem kannst du gerne ausprobieren, durch diese Tür zu treten. Ich bitte sogar darum!“
    Misstrauen ließ Melica die Stirn runzeln. „Warum? Was passiert, wenn ich es versuche?“
    „ Probiere es aus! Bitte! Nur einmal!“
    Melica wollte zwar so schnell wie möglich nach Hause, doch sie wollte nicht sterben. Suchend blickte sie sich um. Sie fand. Sekunden später stand sie wieder vor der Tür, einen schweren, unhandlichen Brieföffner aus der Rezeption in der Hand.
    Dianas dunkle Augen musterten sie hämisch. „Willst du mich damit etwa umbringen?“
    Oh. Auf die Idee war sie gar nicht gekommen. Allerdings machte sich Melica nichts vor. Selbst wenn ihr dies selbst eingefallen wäre – sie hätte keinen Menschen umgebracht. Selbst wenn Diana die Komplizin ihres Entführers war und sie zudem auch noch hasste, könnte Melica sie niemals ermorden. Was war sie doch für ein Feigling. „Nein“, sagte sie kopfschüttelnd und umschloss mit ihrer freien Hand den Türgriff des schweren Tores.
    Sie musste gar nicht so fest ziehen. Die Tür dachte gar nicht daran zu protestieren, sondern schwang problemlos auf. Kühle Luft strömte von draußen in den überhitzten Raum.
    Melica atmete tief ein. Dann hob sie den Brieföffner und warf ihn durch die weit geöffnete Tür. Das, was dann geschah, gehörte eher in einen schlechten Fantasyfilm als in die echte Realität. Der Brieföffner schien sich auf halbem Wege anders zu entscheiden. Er blieb mitten in der Luft hängen, weigerte sich einfach, weiterzufliegen. Ein hohes, schrilles Zischen durchschnitt die Luft, ein Geräusch ähnlich dem eines alten, verrosteten Teekessels.
    Der Brieföffner verformte sich. Das Metall wurde flüssig und tropfte wie glühendes Kerzenwachs herab, ein Klecks nach dem anderen fiel zu Boden, ein jeder begleitet von einem lauten, widerlichen Schmatzen. Es hatte maximal drei Sekunden gedauert, da war von dem Brieföffner nicht mehr übrig als ein schmales Stück eines verkohlten, dünnen Drahtes. Man sagte, dass bei überraschten Menschen die Augen aus den Höhlen treten könnten. Wenn dies tatsächlich möglich war, dann war Melica wahrscheinlich wegen irgendeines Gendefekts nicht dazu in der Lage. Anders konnte sie sich einfach nicht erklären, warum ihre Augen an der Stelle blieben, an der sie bleiben sollten. Melicas Hoffnung, diesen Ort lebend zu verlassen, hatte es dem Brieföffner gleichgetan und lag weinend und zerstört am Boden.
    Melica schluckte. „Und du wolltest, dass ich das ausprobiere?“, fragte sie Diana verzagt.
    Diese zuckte teilnahmslos mit den Achseln. „Du wärest wohl kaum daran gestorben. Doch die Schmerzen hättest du mehr als nur verdient.“
    „ Hast du das gerade eben nicht gesehen? Natürlich wäre ich gestorben!“, protestierte Melica laut. „Ich wäre verbrannt! Oder explodiert! Oder... geschmolzen! Ich... oh mein Gott, was ist das alles hier?“ Sie konnte nicht verhindern, dass sie hysterisch klang. Sie wollte es auch gar nicht. Warum auch? Es war ihr gutes Recht, den Verstand zu verlieren!
    Dianas kaltes Lachen half ihr auch nicht gerade dabei, die Ruhe zu bewahren. „Du solltest damit aufhören, Gott um Hilfe zu bitten. Er lacht über uns und unsere Wünsche. Du wirst niemals Hilfe von ihm bekommen.“
    Dies war keine Situation, in der Melica eine Diskussion über Religion beginnen wollte. Nachdem sie die Tür so vorsichtig wie möglich geschlossen hatte, schritt sie aufmerksam durch das große Foyer. Irgendetwas musste sie doch finden, was ihr helfen konnte, von hier zu verschwinden!
    Da fiel ihr Blick auf ein altes Telefon, das still und leise an der Wand hing. Sie war nicht dumm, sie war nicht naiv. Sie war verzweifelt. Und so war es kein Wunder, dass sie für einige Augenblicke tatsächlich annahm, dass das Telefon noch völlig funktionstauglich war. Sie stürmte wie ein wildgewordenes Rhinozeros darauf zu und riss es sich förmlich ans Ohr. Kein Freizeichen, kein Ton. Das Telefon rutschte aus ihrer Hand. Enttäuscht schloss Melica die Augen.
    „ Für wie dumm hältst du Luzius eigentlich?“, fragte Diana kichernd. „Er ist vielleicht vollkommen verrückt, aber er ist ein verdammtes Genie! Wenn er dich nicht gehen lassen will, kommst du hier niemals raus.“
    Melica hätte nicht geglaubt, dass sich ihr Leben innerhalb weniger Stunden in einen solchen

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