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Kein Schlaf für Commissario Luciani

Kein Schlaf für Commissario Luciani

Titel: Kein Schlaf für Commissario Luciani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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zu, weil die Lippen aufeinandergepresst waren, um den Überschwang der Gefühle im Zaum zu halten. Patrizia öffnete die Arme und umfasste ihn, die Wange an seine Brust gelegt. Ihr fielen seine Bartstoppeln auf, das Gesicht eines Mannes, der sich um sein Aussehen wenig scherte, er war noch dünner als beim letzten Mal, ausgezehrt und kantig, an allen Gelenken standen die Knochen hervor. Sie dachte, sie hätte ihn mühelos hochheben und mit ausgestreckten Armen über ihr Gesicht halten können, wie damals, als er klein war und sie so tat, als wollte sie ihn in den Bauch beißen, bis er vor Lachen nicht mehr konnte.
    Marco Luciani ging vorsichtig auf ihre Umarmung ein, er wusste, dass er das Verhältnis besser auf kameradschaftliche Herzlichkeit beschränken sollte, denn jede übertriebene Geste, jeden Überschwang würde er sonst irgendwann mit Reue und Schuldgefühlen büßen müssen.
    »Ich dachte, du kommst nie wieder.«
    Dank oder Vorwurf, das war Ansichtssache. Marco Luciani löste sich aus der Umarmung und murmelte: »Es war eine schwierige Phase, ich hatte sehr viel zu tun.« Er sagte ihr nicht, dass er eine Woche vorher in den Boschetto hochgefahren, bis an das Tor gekommen war und sogar geklingelt hatte. Dann jedoch hatte ihn panische Angst gepackt, und er hatte sich hinter einem Baum versteckt.
    Die Mutter streichelte sein Gesicht und sagte in gütigem Ton: »Ich weiß. Ich habe alles im Fernsehen verfolgt. Als ich dich gesehen habe, hätte ich dich fast nicht erkannt, du warst beängstigend dünn.«
    »Im Fernsehen sieht man schlanker aus, Mama«, log er. »In echt siehst du nicht viel besser aus, eher wie ein Lichtmast.«
    Er lächelte, der Vergleich schien ihm absolut zutreffend. Er fühlte sich groß, unverrückbar und einsam.
    |69| Er trat in die Küche und sah sich um. Alles war wie immer, der rustikale Tisch mit der Marmorplatte, die Korbstühle, Anrichte und Konsolen. Er suchte unter dem Dunstabzug nach der Fliese, die auf dem Kopf stand – sie war noch da. Die Blütenblätter der gelben Blumen passten nicht aufeinander, und dieser Fehler zerstörte die vermeintliche Perfektion der Vorzeige-Villa, gab ihm aber ein Gefühl der Erleichterung, wie einst jeden Morgen beim Frühstück, viele Jahre lang.
    Die Mutter beobachtete ihn immer noch. »Du wirkst müde. Willst du etwas essen?«
    »Nein, danke. Essen ist schlecht für den Organismus«, sagte er lächelnd.
    »Dummkopf. Wenigstens einen Tee?«
    »Den schon, gern. Ist Papa nicht da?«
    Der Satz war ihm zu brüsk geraten. Er war es nicht mehr gewohnt, ihn auszusprechen, und er schien sich fast in den Rücken der Mutter zu bohren. Patrizia verkrampfte sich ein wenig, sie drehte sich mit einem verwunderten, besorgten Gesichtsausdruck um. »Ich dachte, du hättest ihn weggehen sehen.«
    Marco Luciani schüttelte den Kopf. »Offen gestanden nicht. Diesmal wäre ich auch bereit gewesen, ihn zu treffen.« Er war spontan zum Haus seiner Eltern hochgefahren, von einem plötzlichen Bedürfnis nach Normalität getrieben, oder nach Buße, oder weil er seiner selbst überdrüssig war. Und im Gegensatz zu sonst hatte er nicht am Ende der Straße gelauert, gewartet, bis sein Vater zum üblichen Abendspaziergang vor dem Essen aufbrach. Er hatte an der Villa Patrizia geklingelt, und wenn der Vater geantwortet hätte, hätte er ihn möglichst ungezwungen begrüßt, so weit das einem Sohn gelingen kann, der mit seinem Vater zehn Jahre lang kein Wort gewechselt hat.
    »Tut mir leid. Aber vielleicht ist es diesmal besser, dass |70| er nicht da ist.« Die Mutter machte Feuer unter dem Wasserkessel, stellte zwei Tassen auf den Tisch, setzte sich und bedeutete ihm, es ihr gleichzutun. »Im letzten Brief habe ich dir geschrieben, es gehe ihm nicht sehr gut, aber die Wirklichkeit sieht ein bisschen anders aus. Die Ärzte meinen … dass ihm nur noch … wenig Zeit bleibt.« Sie seufzte und konnte nicht weitersprechen, sie stützte die Ellbogen auf den Tisch und verbarg das Gesicht in den Händen. Die Aufregung, ihren Sohn wiederzusehen, und der Gedanke an ihren Mann, der bald an Krebs sterben würde, waren zu viel für sie.
    Marco Luciani wartete, bis sie sich wieder beruhigt hatte, wobei er ihr die Hand auf die Schultern und dann auf das Haar legte. Er wusste nicht, was er sagen sollte, ein einfaches »Tut mir leid« wäre zu wenig und auch nicht ehrlich gewesen, diesen Moment hatte er in einer bestimmten Phase seines Lebens herbeigesehnt, und jetzt, da er da war, hatte er

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