Kein Schlaf für Commissario Luciani
denke darüber nach.«
Der Vater machte eine Geste der Zustimmung. »Immerhin etwas.«
Die Mutter begleitete ihn ans Tor.
»Ruf mich heute Abend an und sag mir, wie es mit dem Arzt gelaufen ist.«
»Einverstanden.« Sie streichelte ihn, wie sie es in seinen Kindertagen getan hatte. »Du hast das gut gemacht. Hast ihn abgelenkt und ihm eine Freude bereitet.«
Als sie wieder ins Haus kam, hatte ihr Mann die Augen geschlossen, schlief aber nicht.
»Meinst du, er nimmt sie an?«
»Ich denke schon. Deinen Vater hat er immer gemocht.«
»Hoffen wir es. Wenn er diese Wohnung nimmt, wird er auch alles andere nehmen.«
Er ging in eine Drogerie, um grünen Tee zu kaufen, dann holte er sich beim Bäcker sechzig Gramm Focaccia. Vor dem Haus stand der Neapolitaner und sprach mit den Bauarbeitern.
»O Scheiße, du siehst aber blass aus, Commissario. Was ist denn passiert?«
Marco Luciani erwähnte das Treffen mit dem Polizeichef ebenso wenig wie die 6:2-6:1-Niederlage, die er gegen Andrea kassiert hatte, wobei er mindestens zwanzig |153| simple Flugbälle vergeigt hatte. Er sagte auch nicht, dass er in seiner Sporttasche, als er beim Tennisclub ankam, die Akten zum Fall Ameri gefunden hatte. Er hatte sie während der gesamten Partie vor sich gesehen. Die weichen Knie, die überreizten Nerven und der Schlafmangel hatten ihm dann den Rest gegeben. »Ich kann einfach nicht schlafen, Pasquale. Es ist eine Katastrophe mit dieser Hitzewelle, bei geschlossenen Fenstern gehe ich ein, und wenn die Fenster offen sind, dann ist es dermaßen laut …«
»Ich weiß, ich weiß, ich habe einen festen Schlaf, aber manchmal wecken die auch mich auf, wie der Afrikaner letzte Nacht. Hast du es mal mit Ohropax versucht?«
»Ja, aber das bringt wenig. Die Stimmen werden ein bisschen gedämpft, aber die Motorräder wecken mich trotzdem auf.«
»Na, um die müsstet ihr Polizisten euch doch kümmern. Warum macht ihr nicht mal eine Straßenkontrolle in der Nacht, ihr haltet ein paar an, beschlagnahmt die Fahrzeuge, wer weiß, vielleicht findet ihr ja sonst noch was an Bord.«
»Bringt nichts. Am nächsten Abend geht es von vorne los, mit einem anderen Dealer und einem anderen Scooter.«
Sie machten Platz für den Lastwagen, der neue Holzbalken anlieferte. Der Neapolitaner senkte die Stimme ein wenig:
»Weißt du Commissario, manchmal reicht es, ein Exempel zu statuieren. Das spricht sich herum, ich behaupte ja nicht, dass der nächtliche Verkehr dann eingestellt wird, aber vielleicht verlagern sie ihr Operationsfeld, und wir können schlafen. Ich habe unten in Neapel einen Cousin, der nachts einmal von einer Gruppe von Halbstarken genervt wurde, weißt du, solche mit Scootern, die sich vor seinem Haus trafen und bis tief in die Nacht herumbrüllten, |154| die Motoren jaulen ließen und Flaschen zerdepperten, das Übliche halt. Die Leute hielten es nicht mehr aus. Zuerst hat man es ihnen höflich gesagt, dann latent gedroht, aber das war denen wurst, im Gegenteil, die wurden immer arroganter. Willst du wissen, wie mein Cousin das Problem gelöst hat?«
»Klar.«
»Eines Nachts, als sie es wieder einmal zu bunt trieben, ist er ausgetickt. Er ist mit dem Gewehr runter und hat einen umgelegt.«
»Na, bravo.«
»Aber ja doch. Was sein muss, muss sein. Der hat keinem mehr auf der Nase herumgetanzt, und die anderen haben sich nie wieder blicken lassen.«
»Das glaube ich gern. Und dein Cousin?«
»Der hat zwölf Jahre bekommen. Alle Mieter haben zusammengelegt, um ihm den besten Anwalt zu bezahlen, alle waren sich einig, dass er recht getan hatte – der Bursche hatte es darauf angelegt. Der Anwalt schaffte es, dass er als nur bedingt zurechnungsfähig erklärt wurde, denn wenn du ein paar Nächte hintereinander nicht geschlafen hast, bist du nicht mehr du selbst, dann galt als Milderungsgrund, dass er provoziert wurde, jedenfalls haben sie ihn nach nicht einmal sechs Jahren in den halboffenen Vollzug verlegt, jetzt muss er nur noch am Abend in den Knast, aber er ist zufrieden, er sagt, man schläft bestens im Knast, besser als zu Hause.«
Marco Luciani schloss die Haustür auf. »Sechs Jahre Haft ist kein Pappenstiel. Hätte er nicht besser auf die Beine gezielt?«
»Commissario, was redest du? Wenn es um die Ehre geht, gibt es keine halben Sachen. Weißt du, was passiert wäre, wenn er ihm in die Beine geschossen hätte? Der hätte Rache geschworen, die Freunde genauso, und dann |155| hätte keiner mehr in Frieden leben können. So
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