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Kein Schlaf für Commissario Luciani

Kein Schlaf für Commissario Luciani

Titel: Kein Schlaf für Commissario Luciani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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hängengeblieben, Papa. Die zeitgenössische Kunst wird von normalen Menschen geschaffen, die von ihrer eigenen Hände Arbeit leben.«
    »Es gibt keine zeitgenössische Kunst.«
    Die Mutter kam und unterbrach sie mit drei Tassen Tee und Gebäck für den Sohn. »Hört auf, euch über solchen Unsinn zu streiten, ihr werdet euch sowieso niemals einigen.«
    »Mit ihm kann man sich nicht einigen. Zuerst lobt er den Fortschritt, und dann trauert er dem 17. Jahrhundert nach.«
    |150| »Ich muss nicht um jeden Preis konsequent sein«, sagte der Vater lächelnd, »ich bin todkrank.«
    »Nein, du bist ein Besserwisser«, sagte die Mutter, »du brauchst nur das Gegenteil von dem zu behaupten, was die anderen sagen, und schon bist du glücklich. Und darin, Marco, bist du genau wie dein Vater.«
    Sie tranken schweigend ihren Tee. Seit langer, unglaublich langer Zeit hatten sie nicht mehr zu dritt im Wohnzimmer gesessen, um zu reden, vielleicht auch zu diskutieren, ohne zu streiten. Es hatte eine kurze Phase in Marco Lucianis Leben gegeben, mit vierzehn, fünfzehn Jahren, wo er stundenlang so mit seinem Vater diskutierte, es machte ihm Spaß, dessen Prinzipien Stück für Stück mit seinen paradoxen Theorien zu demontieren. Aber das hatte nicht lange gedauert, bald war er ein unduldsamer spätpubertärer Jüngling geworden, und auch der Große Cäsar hatte sich immer weiter von der Familie entfernt, um seinen Abenteuern nachzujagen. Als Luciani dann die Universität besuchte und ihr Verhältnis sich wieder eingerenkt zu haben schien, kam es zum Bestechungsskandal und zur Verhaftung. Da sah Marco Luciani das wahre Gesichts seines Vaters.
    »Hör zu, Marco. Wie ich dir bereits sagte, bist du besser als ich. Alles, was ich dir voraus habe, sind dreißig Jahre und ein Sohn, aber das sind bedeutsame Dinge, sie lassen dich alles aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Ich weiß, dass du mein Geld nicht willst, und ich vererbe es deiner Mutter. Aber ich hoffe, wenn für sie einmal die Zeit reif sein wird, in hundert Jahren, dass du es dann annimmst, denn andernfalls wird es irgendeinem Cousin x-ten Grades zufallen, den du gar nicht kennst, oder der Kirche.«
    »Mutter, du würdest es doch nicht der Kirche vermachen …«
    »Warum nicht? Die brauchen immer Geld.«
    |151| »Ja, um die Kinder zu entschädigen, die von den Pfarrern begrapscht wurden.«
    »Cesare! Sprich nicht so!«
    »Wie auch immer, was ich dir sagen wollte, Marco: Wenn du meine Erbschaft nicht willst, dann solltest du wenigstens die von Großvater annehmen, er hat sein Leben lang gearbeitet, ohne zu stehlen, und am Ende hat er sich seine kleine Wohnung gekauft, erinnerst du dich?«
    »Welche Wohnung?«
    »Die in Mailand«, schaltete sich die Mutter ein, »wo er immer gelebt hat. Nichts Besonderes, das werden sechzig Quadratmeter sein, aber früher war das Stadtrand, jetzt liegt sie fast im Zentrum, die U-Bahn hält dort, sie hat inzwischen einen gewissen Marktwert.«
    »Ich brauche keine Wohnung in Mailand.«
    Der Vater machte eine müde Geste. »Vermiete sie, verkauf sie. Mach damit, was du willst. Wenn du sie möchtest, gehört sie dir, und sie kommt nicht von mir, sondern von Großvater. Du würdest ihn glücklich machen.«
    Eine Wohnung in Mailand, dachte Luciani. Eine eigene Wohnung. Ich könnte sie verkaufen und dafür eine in Genua kaufen, im Viertel Castelletto. Oder vielleicht sogar an der Riviera. Wohnungen in Mailand kosten ein Vermögen, sicher mehr als hier. Die Wohnung von Großvater Mario. Er war nur selten dort gewesen, und sie war ihm immer so trist vorgekommen, die halb geschlossenen Rollläden, die das Licht draußenhalten sollten, der tropfende Spülkasten im Bad … Auf der Kommode standen Fotos von der Großmutter und dem anderen Sohn, Onkel Albino, der mit zehn Jahren gestorben war.
    Luciani erhob sich, bevor er rührselig wurde. Zum ersten Mal spürte er so deutlich das Gewicht der Familie, die Verantwortung, der letzte Spross einer Sippe zu sein, die jahrhundertelang gelebt, gekämpft und sich fortgepflanzt |152| hatte, in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Seine Mutter hatte keine Geschwister, sein Vater nur diesen früh verstorbenen Bruder und eine Schwester, die in Rom lebte. Eine kinderlose Witwe. Der Nachname seines Großvaters und Vaters starb aus, er hatte ihn nach dem Skandal bewusst abgelegt und den seiner Mutter angenommen, doch auch dieser würde mit ihm sterben.
    »Ich muss jetzt gehen«, sagte er, »aber ich verspreche dir, ich

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