Kein Schlaf für Commissario Luciani
Leute sich ein bisschen zivilisierter benehmen würden, Pasquale. Die sind wie die Tiere, die anderen sind ihnen scheißegal, früher oder später …«
»Nimm’s nicht persönlich, Commissario. Geh ein bisschen an den Strand, das Wetter ist schön, niemand unterwegs, da kannst du dich mal richtig ausschlafen.«
»Schön wär’s. Aber ich habe zu viel zu tun.«
Der andere stellte die Ohren auf. »Echt? Bist du wieder im Dienst?«
»Nein, nein …«
»Dann arbeitest du als Privatdetektiv? Wie im Film?«
Marco Luciani bereute, dass er sich verplappert hatte.
»Aber nein, Pasquale, ich wollte sagen, dass … nichts, ich helfe nur einem Freund. Das ist alles.«
»Oho, halt mich bloß auf dem Laufenden. Und was auch immer du brauchst …«
»Ja, Schlaf brauche ich, Pasquale.«
»Wenn es nur das ist, Commissario, darum kümmere ich mich. Ein kleines Gebet zu meinem persönlichen Schutzheiligen …«
Marco Luciani lächelte skeptisch. An die Wunder von San Gennaro hatte er nie geglaubt.
Die Sängerin war klein, aber sinnlich, eine kurvenreiche Brünette, die sich an das Mikro klammerte wie ein Schiffbrüchiger an ein Tau. Die Augen halb geschlossen, den Mund fast zu einer schmerzlichen Grimasse verzogen, |224| schien sie jemandem zu gedenken, der in den Fluten versunken war. Gegen Ende des Songs dann, als sie sicher war, dass sie keinen Patzer mehr machen würde, und sich die Anspannung löste, öffnete sie die Augen und warf einen vagen Blick ins Publikum, schließlich schenkte sie dem Pianisten und ihren engsten Freunden, die am nächsten Tisch saßen, ein Lächeln. Montags, mittwochs und freitags gab es Live-Musik im Saffophone, wie das Schild am Eingang verkündete. Die Atmosphäre war entspannt, das Lokal ganz hübsch, wenn auch nicht besonders originell eingerichtet: Drucke von Tamara de Lempicka an den Wänden, gerahmte Fotos von Greta Garbo und den berühmtesten Ikonen der Schwulen und Lesben, von Cher bis Madonna, von Mina bis Raffaella Carrà.
Zum Glück ist heute Abend nicht Ringelpietz mit Anfassen, dachte Marco Luciani. Das Fehlen von Lemonsoda hatte mindestens genauso auf seine Stimmung geschlagen wie die antipathische Bedienung, die an seinen Tisch gekommen war, eine Brünette mit Katzenaugen, die ihn sofort mit der angewiderten Miene einer Frau taxiert hatte, die Männer hasst, und vor allem männliche Heteros, die in ein Lesbenlokal kommen, um zu spannen.
Er bestellte ein Wasser mit Minze, und als das Mädchen mit dem Getränk kam, zeigte er seinen Ausweis und verlangte den Chef zu sprechen.
»Ich bin der Chef. Merli, Emanuela«, sagte sie und streckte ihm die Hand hin. Sie hatte ein klein wenig den Schwanz eingezogen.
Der Kommissar deutete auf einen Stuhl, sie schaute sich um, als wollte sie signalisieren, dass sie viel zu tun habe, aber am Ende setzte sie sich auf die Stuhlkante, das Tablett im Schoß. Marco Luciani holte das Foto von Barbara Ameri und ihren Freundinnen hervor.
»Können Sie sich an diese Mädchen erinnern?«
|225| Die Frau dachte einige Sekunden nach: »Ja … an die kann ich mich erinnern, ja, das Foto habe ich gemacht.«
»Wissen Sie, wer das Mädchen in der Mitte ist? Die Brünette?«
»Klar weiß ich das. Ich lese ja Zeitung.«
»Kam sie oft in Ihr Lokal?«
»Nein, es war das erste Mal, dass ich sie sah. Sie war mit ihren Freundinnen da. Bei allem Respekt, das waren solche Hühner, die den Abschied aus dem Single-Dasein in einem Lokal wie diesem hier feiern und meinen, dass sie wer weiß was Verbotenes tun.«
»Und Sie haben die Mädchen nicht wiedergesehen?«
»Nein, nur sie, ein Mal. Ungefähr eine Woche später. Sie war mit einem jungen Kerl hier.«
»Wissen Sie, wie er heißt?«
Emanuela Merli konzentrierte sich: »Ich hatte ihn schon gesehen, ich meine, dass er ein paarmal bei Bergtouren dabei war. Aber das ist schon viele Jahre her, der Name allerdings …«
»Können Sie ihn beschreiben?«
»Nun, jung, so um die fünfundzwanzig, attraktiv, braunes Haar, eine Tätowierung am Arm.«
»Wissen Sie noch, wo er wohnt?«
»Nein. Ehrlich gesagt nicht. Der ist aber bestimmt hier aus Rapallo.«
»Sie haben ihm sicher einen Ausweis ausgestellt. Hier braucht man einen Mitgliedsausweis vom ARCI 1 , oder?«
»Ja, wer noch keinen hat, muss sich beim ersten Besuch einen ausstellen lassen, das ist obligatorisch. Das mache ich bei jedem, in der Beziehung könnt ihr mir nichts nachsagen.«
»Dann können wir also die Register überprüfen.«
|226| »Offen
Weitere Kostenlose Bücher