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Kein Schlaf für Commissario Luciani

Kein Schlaf für Commissario Luciani

Titel: Kein Schlaf für Commissario Luciani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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sie einen Auflauf von Schaulustigen und Presse verhindert.
    Marco Luciani ließ sie weinen. Es gab keine passenden Worte, außer dem Trost, den die Kirche seit Jahrhunderten für all jene bereithielt, die daran glaubten. Für ihn waren die einzig tröstlichen Worte: »Auge um Auge, Zahn um Zahn«, das älteste, gerechteste und allgemeinverständlichste Gesetz, das der Mensch je geschaffen hatte.
    Er bat darum, Barbaras Zimmer sehen zu dürfen, und kaum hatte er es betreten, bereute er es schon wieder. Hier war die Zeit stehengeblieben, als rechnete man jeden Augenblick mit ihrer Rückkehr. Ein Buch mit Lesezeichen lag auf dem Nachttisch, daneben eine halbvolle Wasserflasche. Nicht einmal der Papierkorb war geleert worden. Das Bett war gemacht, vermutlich von Barbara selbst, ehe sie an jenem Morgen ins Büro gegangen war, Laken und Kissen waren nicht abgezogen worden. Auf dem Schreibtisch lag offen die leere Hülle einer Robbie-Williams-CD, die CD war wohl noch in der Stereoanlage.
    Er hatte als Kommissar die Zimmer vieler Toter gesehen, manchmal war die Leiche noch darin gewesen, manchmal nur diese Spuren von Grauen und Leid, die ein gewaltsamer Tod hinterlässt, und die viele als Gespenster bezeichnen. Barbara war anderswo getötet worden, ihre Seele spukte nicht in diesem Zimmer herum, und doch hatte Marco Luciani in seiner ganzen Laufbahn nie eine solche Beklemmung gespürt.
    »Führte Ihre Tochter Tagebuch? Irgendetwas, was uns weiterhelfen könnte?«
    Die Mutter schüttelte den Kopf. »Ich habe nichts gefunden. Vielleicht hatte sie eines, das heißt in der Mittelschule und im Gymnasium sicher, aber inzwischen war sie erwachsen, solche Sachen macht man als junges Mädchen.«
    |219| Das ist nicht gesagt, dachte Marco Luciani. »Und diese alten Tagebücher? Mir ist klar, dass sie sehr persönlich sind, aber …«
    »Die hat sie weggeworfen. Vor Jahren schon. Tut mir leid. Die hätten Ihnen jedoch nicht weitergeholfen, sie war immer ein ganz normales Mädchen.«
    Das habe ich noch nie gehört, dass jemand seine alten Tagebücher wegwirft, dachte der Kommissar, während er vermeintlich beiläufig das Bücherregal betrachtete. Es gab da verschiedene Fotos von Barbara, eine schöne Aufnahme im Bilderrahmen schien das aktuellste zu sein, Barbara mit drei Freundinnen an einem Tisch in einem Lokal, sie lachten und schienen ziemlich aufgedreht. Er nahm das Bild und bemerkte, dass an der Rückseite des Rahmens ein Zettel steckte. Die Visitenkarte eines ihm unbekannten Lokals: »Saffophone«, jemand hatte mit Kugelschreiber eine Telefonnummer darauf notiert. Als ein Auto in den Hof fuhr, drehten alle drei sich gleichzeitig um, der Kommissar trat ans Fenster und lugte verstohlen hinaus. Er erkannte den Dienstwagen mit Iannece am Steuer, dann gingen die hinteren Türen auf, und zwei Beamte stiegen aus: Giampieri und ein großer, grauhaariger Polizist in Zivil.
    Der Kommissar beglückwünschte sich im Stillen dazu, dass er den Clio nicht im Hof abgestellt hatte. Vielleicht konnte er sich sogar noch verdünnisieren und einer faustdicken Blamage entgehen. Er erklärte seinen Gastgebern, dass es besser war, wenn der Leiter der Ermittlungen ihn nicht sah. »Schließen Sie diese Tür und gehen Sie der Polizei öffnen. Sobald Sie alle im Wohnzimmer sind, steige ich durchs Fenster.«
    »Passen Sie auf, dass Sie sich nicht weh tun.«
    »Wir sind hier im ersten Stock, das ist ungefährlich.«
    Paolo Ameri starrte ihn aus leeren Augen an: »Und, Herr Kommissar? Werden Sie uns helfen?«
    |220| Marco Luciani versprach, dass er sich auf der Dienststelle ganz diskret mit Informationen eindecken und in einigen Tagen wiederkommen werde, um die Ameris über den Stand der Ermittlungen zu informieren.
    »Ich danke Ihnen, das wäre schon etwas. Uns sagt man ja nichts, und wenn ich persönlich hingehe und nachfrage, heißt es immer, alles läuft gut, sie stehen kurz vor der Lösung des Falles, sie werden ihn bald fassen, aber von Mal zu Mal klingen sie weniger überzeugt. Sicher, wenn Sie sich selbst darum kümmern könnten …« Die Türklingel ließ ihn zusammenzucken.
    Der Kommissar legte ihm eine Hand auf die Schulter und drückte sie einen Moment. »Bleiben Sie ruhig. Und stehen Sie Ihrer Frau bei. Gehen Sie jetzt, vielleicht gibt es Neuigkeiten. Versuchen Sie, sie eine Weile von den Fenstern fernzuhalten. Und kein Wort über meinen Besuch.«
     
    Er hielt sich am Fensterrahmen und landete, ohne Probleme, auf der Erde. In solchen Fällen war

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