Kein Schlaf für Commissario Luciani
Nachbarn, Ladenbesitzer, Lieferanten, Passanten, Müllmänner und Flugblattverteiler.«
Venuti wandte sich an Giampieri: »Wenn du willst, lasse ich dir noch einmal alle Aussagen abtippen, dann könnten wir einen Übersichtsplan des Viertels mit allen Ortswechseln, Minute für Minute, erstellen.« Der Ingenieur fragte sich erneut, ob Venuti ihn verarschen wollte.
»Keine schlechte Idee«, sagte er. Aber erst einmal mussten sie sich auf das konzentrieren, was er eben bei den Manteros erfahren hatte.
Er schrieb den Bericht für die Staatsanwältin, erzählte von Barbaras Bürobesuch und erklärte, warum es notwendig war, die von ihr durchgeführten Operationen zu rekonstruieren. Diesmal würde die Serra ihm die Beschlagnahmung der Computer nicht verwehren können.
Während er die Staatsanwaltschaft betrat, schimpfte er sich einen Idioten, weil er Monica Serra nicht mehr angerufen hatte. Sie hatte ihn in einem schwachen Moment erwischt, den er schon wieder bereute, und er hoffte, dass sie es genauso empfand: Diese Geschichte konnte keinem von beiden zum Vorteil gereichen. Aber nachdem er eine Dreiviertelstunde im Vorzimmer gewartet hatte, war ihm klar, dass die Staatsanwältin die Flucht aus ihrem Bett nicht als faire Geste gewertet hatte.
»Hoppla, wen trifft man denn hier? Vizekommissar Giampieri!«
»Guten Tag, Dottoressa.«
|238| Sie gab sich ironisch und distanziert, aber man sah auf einen Kilometer Entfernung, dass sie vor Wut kochte.
»Welchem Umstand habe ich diese Ehre zu verdanken? Drei Tage war der Herr verschwunden.«
»Ich hatte einiges zu tun. Aber es gibt vielversprechende Neuigkeiten.«
Er erzählte ihr nichts von den Enthüllungen Michela Piccos, das war noch zu vage, und auch nicht, wie er die Manteros abgehört hatte. Stattdessen berichtete er, was Letztere gesagt hatten und wie wichtig es sei, so schnell wie möglich die Computer zu beschlagnahmen.
»Sehr gut. Lassen Sie mir den Bericht da. Ich werde ihn in Ruhe prüfen.«
Du kannst ruhig knallhart tun und die beleidigte Leberwurst spielen, dachte Giampieri. Das ist mir so was von schnuppe.
Er wollte gerade hinausgehen, als sie ihn zurückrief.
»Was den … Rest angeht, ich will nicht, dass der Vorfall die Ermittlungen beeinträchtigt. Wenn Sie mich meiden wollen, verstehe ich das, das heißt eigentlich verstehe ich es nicht, aber das ist Ihre Sache. Sie können jedoch keine drei Tage verstreichen lassen, ohne mich über den neuesten Stand der Ermittlungen zu unterrichten.«
»Ich war im Büro. Ich habe das ganze Wochenende gearbeitet. Und war immer erreichbar.«
»Nun, Sie hätten sich vielleicht denken können, dass nicht ich diejenige sein wollte, die anruft. Da gehört nicht allzu viel Einfühlungsvermögen dazu.«
Jung oder alt, solo oder verheiratet, Haus- oder Karrierefrau, am Ende sind sie alle gleich, dachte Giampieri. Er trat an den Schreibtisch und schaute ihr in die Augen.
»Hör zu. Bei der Arbeit bin ich meinen Vorgesetzten Rechenschaft schuldig, aber in meinem Privatleben nicht. Ich bin erwachsen. Wenn ich Lust habe, etwas zu tun, |239| dann tue ich es, wenn nicht, dann nicht. Ich habe weder Zeit noch Lust auf Spielchen, und ich erwarte auch nicht, dass du dich bedankst oder mich zum Teufel wünschst. Es ist passiert, wir hatten Lust darauf, es war schön. Ende der Durchsage.«
Sie blähte die Nüstern und schlug einen Flüsterton an: »Von wegen erwachsen. Du redest wie ein egoistischer
Schuljunge. Ich habe dich um nichts gebeten, habe nur ein wenig Respekt erwartet. Ich bin nicht irgendein Häschen, das du in der Disco abgeschleppt hast.«
»Respekt bedeutet für mich, ehrlich zu sein. Allen gegenüber. Ich bin frei und will es bleiben. Wenn das für dich okay ist, gut. Wenn nicht, sind wir Freunde, besser gesagt, Kollegen wie vorher.«
Er erreichte die Tür und drehte sich um. »Und ich hoffe, dass unsere etwaigen persönlichen … Differenzen Ihre beruflichen Entscheidungen nicht beeinflussen, Dottoressa.«
Er kehrte in sein Büro in Genua zurück und dachte, wie dumm es gewesen war, sie zu bumsen, er hätte sich anders aus der Affäre ziehen müssen, aber in bestimmten Situationen wusste er sich einfach nicht zu beherrschen. Er vergeudetet fast eine Stunde mit dem Versuch, einem Techniker am Telefon zu erklären, was dieser in Barbara Ameris Computer finden sollte, der ihm umgehend zugehen würde, aber der Mann schien den Sinn der Ansage nicht recht zu begreifen. Sein Chef war leider auf einem
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