Kein Schlaf für Commissario Luciani
Fremden mitgehen soll.« Richtig. Prima Antwort. Sie hatten sich nicht vorgestellt und waren daher im Unrecht.
Der Ältere von beiden, stämmig, Mitte fünfzig, kurzes graumeliertes Haar und einen halb ironischen, halb brutalen Zug um den Mund, setzte sich neben den Kommissar und zog einen Ausweis aus dem Jackett. »Sisde« 1 , flüsterte er.
Der kurze Blick, der Giampieri gestattet wurde, ließ keinen Schluss über die Authentizität des Dokuments zu.
Der andere Kerl schaute sich wie beiläufig um, während zwei junge Mütter am Nebentisch ihn mit den Augen verschlangen. Er war jung, höchstens dreißig, mit einem Angeberblick und fleischigen Lippen – die moderne Version eines hochgehantelten, höhensonnengebräunten Jean Paul Belmondo.
»Also?«, insistierte der Man in Black.
Auch wenn er nicht allzu viel Ähnlichkeit mit diesem |243| hatte, taufte Giampieri ihn für sich »Gabin«. »Dies hier ist ein ruhiges Plätzchen«, sagte er, während er seinen Blick über das Grün, die klare Luft und das Meer im Hintergrund schweifen ließ, »und Sie sitzen schon.«
Gabins Lächeln verhieß nichts Gutes.
»Sie brauchen keine Angst zu haben, Herr Vizekommissar. Wir sind nur gekommen, um Ihnen zu helfen.«
»Sollte ich Angst haben? Aber warum denn?«
»Wir wissen, dass Sie im Fall dieses jungen Mädchens ermitteln, dieser Barbara Ameri«, fuhr der Mann mit leiser Stimme fort, »und wir wollen ganz einfach verhindern, dass Sie Ihre Zeit mit einer Spur vergeuden, die ins Abseits führt.«
»Und woher wissen Sie, dass die Spur ins Abseits führt?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen. Das sind Geheiminformationen, die die nationale Sicherheit betreffen. Aber ich kann Ihnen bei meiner Ehre versichern, dass dieses Mädchen in keiner Weise verstrickt war in … Nun, wenn Sie den Mörder finden wollen, dann sollten Sie in einem engeren Umfeld suchen.« Er sah Giampieris skeptische Miene und fuhr fort: »Stellen Sie in Rechnung, dass wir Informationen erhalten haben, auf denen allerdings eine Art Beichtgeheimnis liegt. Aber dank dieser Informationen können wir Ihnen Fehler ersparen.«
»Sie wissen, wer der Mörder ist?«
»Ganz und gar nicht, Herr Vizekommissar. Sonst würden wir es Ihnen sagen. Wir meinen aber, dass es ein kleiner Fisch ist. Um ihn zu fassen, braucht man keine Schiffe zu verfolgen, die durchs Mittelmeer kreuzen.«
Deutlicher konnten sie nicht mehr werden. Sie mussten ihn dabei ertappt haben, wie er versuchte, in die Site des Brokers vorzudringen. Oder vielleicht waren sie durch seinen Besuch bei den Manteros alarmiert worden. Giampieri beschloss, sich dumm zu stellen.
|244| »Ich habe verstanden. Das heißt, wenn es sich um eine falsche Spur handelt, werde ich ein wenig Zeit verlieren, was gibt es da schon für ein Problem?«
»Es gibt ein Problem. Erstens laufen Sie Gefahr, dass Ihnen der richtige Mörder durch die Lappen geht. Zweitens weiß man nie, wenn man sein Netz einfach so auf gut Glück auswirft, was darin hängen bleibt. Sie könnten Personen gefährden, die tagtäglich ihr Leben für die nationale Sicherheit aufs Spiel setzen.«
Da war sie schon wieder: die nationale Sicherheit. Es genügte, dass ein einfacher Polizist in der Gegend herumlief und Fragen stellte, und schon rauschte eine höhere Macht wie ein Blitz vom Himmel und kassierte ihn im Namen der Staatsräson.
»Wir sind bereit, Ihnen zu helfen, Herr Vizekommissar, wir haben Männer und Mittel, die wir Ihnen an die Hand geben können. Der Fall ist vielleicht weniger kompliziert, als er scheint, man kann ihn mit einer ordentlichen Angelrute lösen. Und dem richtigen Köder, versteht sich.«
Die Bedienung kam, um Giampieris Bestellung aufzunehmen, dann wandte sie sich den beiden neuen Gästen zu. Belmondo, der seinen Mund noch nicht aufgekriegt hatte, sagte: »Einen Espresso«, der andere machte eine Geste mit der Hand, um klarzustellen, dass das überflüssig sei.
»Wir gehen gerade, danke.«
Er erhob sich und gab dem Ingenieur, statt der Hand, einen letzten Rat: »Wie Sie sich denken können, haben wir einander nie gesehen …«
Wer ist »wir«? Wer zum Teufel bist du?, dachte Giampieri.
»… aber denken Sie trotzdem an das, was ich Ihnen gesagt habe.«
»Ich werde daran denken. Wenn ich entschieden habe, wem darf ich das dann mitteilen?«
|245| Gabin setzte ein wenig vertrauenerweckendes Lächeln auf. »Wir werden schon erfahren, wie Sie sich entschieden haben.«
Er sah ihnen nach, während sie sich entfernten,
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