Kein Schlaf für Commissario Luciani
noch etwas einfallen sollte, dann zögern Sie nicht, uns anzurufen. Das sage ich mit Nachdruck.«
»Da sind wir, Ingegnere. Das ist das Haus der Ameris.«
»Warte einen Moment, Iannece. Fahr noch ein Stück weiter.«
»Weiter wohin?«
»Noch ein Stück geradeaus. Okay. Weiter, weiter. Gut. Jetzt kannst du zurückfahren.«
»Vorwärts, zurück«, brummte Iannece.
Während sie im Hof parkten, bemerkte Nicola Giampieri, wie ein Vorhang hastig geöffnet und wieder geschlossen wurde. Was für ein Scheißkerl, dachte er. Ich wette, er hat nicht einmal den Mumm, sich zu zeigen.
Er lächelte Frau Ameri höflich an und versuchte, seinen Groll hinunterzuschlucken. Der Mann erschien, außer Atem, man musste ihn nur durchdringend anschauen, und schon wurde er krebsrot.
Giampieri setzte sich aufs Sofa, Venuti zog es vor zu stehen. Sie blieben eine Stunde, stellten den Eltern dieselben Fragen wie immer und erhielten dieselben Antworten wie immer.
|235| »Wie verbrachte Ihre Tochter gewöhnlich das Wochenende?«
»Das habe ich Ihnen bereits gesagt«, seufzte Maria Rosa Ameri. »Sie kam mit uns in unser Haus nach Santo Stefano.«
»Wo auch Ihr Bruder wohnt?«
»Ja. Er hat das Nachbarhaus.«
»Aber in letzter Zeit hatte Ihre Tochter Ihre Gewohnheiten geändert.« Das war keine Frage, sondern eine Feststellung.
Maria Rosa und Paolo tauschten einen verwunderten Blick. »Nun, sie war tatsächlich seit längerem nicht mehr dabei gewesen, aber das hatte keinen besonderen Grund …«, sagte die Mutter. »Ich kann mich erinnern, dass sie am ersten Mai zu Michelas Hochzeit gegangen war, am folgenden Wochenende hatte sie, meine ich, noch Arbeit zu erledigen, und dann, ja, dann ging sie auf Kreuzfahrt, und am Samstag sagte sie, es sei noch Arbeit liegen geblieben, und sie sei müde. Also sind wir alleine gefahren.«
»Folglich war sie seit einem Monat nicht mehr da gewesen.«
»Nun … ja. Aber ich glaube nicht, dass …«
Hatte die Mutter den Eindruck, dass Barbara ihrem Onkel aus dem Weg gehen wollte?, dachte Giampieri. Aber er fragte: »Hatten Sie den Eindruck, dass sie nicht mehr ins Dorf wollte?«
Die Eltern schauten einander perplex an: »Nein, ganz und gar nicht. Sie liebte diesen Ort, sie kam immer gerne mit.«
Der Ingenieur schwieg eine Weile. Jede Abweichung von der Routine bekam, wenn sie kurz vor einem Verbrechen geschah, eine verdächtige Note. »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich einmal im Zimmer des Mädchens umsehe?«, fragte er schließlich.
|236| Paolo Ameri sah ihn voller Widerwillen an. Sie hieß Barbara, dachte er, unsere Tochter hatte einen Namen.
»Bitte. Ich bringe Sie hin.«
Der Ingenieur schaute sich um und hoffte, irgendwo ein Tagebuch, einen Schreibblock, eine Notiz, einen losen Zettel oder sonst etwas zu entdecken. Aber alles war in perfekter Ordnung, auch der Papierkorb war leer. Er wagte nicht, etwas mitzunehmen, weil er das Verhältnis zur Familie nicht endgültig kompromittieren wollte. Sie verabschiedeten sich ziemlich unterkühlt, enttäuscht, dass sie auf der Stelle traten. Die Beamten stiegen wieder in den Wagen, fuhren durch das Tor, Giampieri warf einen Blick nach rechts und sah, dass Marco Lucianis Clio verschwunden war.
Sie schauten in der Dienststelle in Rapallo vorbei, um zu sehen, welche Fische man mit der von Venuti organisierten Razzia an Land gezogen hatte. Morgens um acht hatte er die verfügbaren Beamten an beiden Enden der Via Bixio postiert und jeden Passanten anhalten lassen. Man wollte feststellen, wer üblicherweise montagmorgens dort vorbeikam, wann der Betreffende sich wo aufhielt, ob er etwas Besonderes bemerkt hatte, usw.
»Wir haben drei Jogger angehalten«, berichtete der Beamte Franchi, »aber nur einer von ihnen war auch am vergangenen Montag da, so gegen Viertel nach acht, halb neun. Wahrscheinlich ist er es, den die Nachbarin vom Balkon aus gesehen hat, er will jedoch nichts Ungewöhnliches bemerkt haben, nicht einmal die Frau auf dem Fahrrad, die wir jedoch sofort danach erwischt haben.«
»Sag bloß.«
»Ja, wirklich. In gewisser Weise eine Enttäuschung, wir alle versprachen uns nämlich etwas von dieser Tennisschlägertasche. Leider war tatsächlich ein Tennisschläger |237| drin, die Frau hat jeden Montag um Viertel vor neun eine Trainerstunde.«
»Und warum habt ihr sie nicht früher ausfindig gemacht?«, knurrte Venuti.
»Sie spielt nicht in einem Club, sondern auf dem Privatplatz einer Wohnanlage. Wir haben jedenfalls alle befragt,
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