Kein Schlaf für Commissario Luciani
Kommentar.«
»Ist er verheiratet? Hat er Kinder? Mit wem lebt er zusammen?«
»Er lebt bei der großen Schwester. Die Eltern sind früh gestorben, und sie hat ein wenig die Mutterrolle übernommen.« So ist es gut, dachte sie, sie soll nicht beschuldigt werden.
»Was können Sie uns über seine Beziehung zu Barbara Ameri sagen? Kannte er sie?«
»Merli kannte Barbara Ameri, da er die Kanzlei des Anwalts Mantero frequentierte. Er war sein Mandant. In den bereits erwähnten Fällen war Mantero sein Verteidiger. Über ihre Beziehung werden noch Ermittlungen angestellt. Im Augenblick verfügen wir nur über diese Informationen. |280| Ich wiederhole: Wir wollen auf keinen Fall behaupten, er sei der Täter, wir suchen ihn lediglich, um ihm einige Fragen zu stellen. Deshalb brauchen wir Ihre Unterstützung. Wir wollen ihm nur helfen.«
»Seit wann ist er verschwunden?«
»Merli hat gestern früh seine Wohnung verlassen, er gab an, er wolle einen Kurzurlaub antreten. Das Motorrad ist verschwunden, und seine Schwester weiß angeblich nicht, wo er sich aufhält.«
»Was haben Sie in der Wohnung sichergestellt?«
»Kein Kommentar.«
»Stimmt es, dass Sie eine mögliche Tatwaffe sichergestellt haben?«
»Kein Kommentar.«
Geschickt, umsichtig, überzeugend, dachte Nicola Giampieri, während er die Aufzeichnung der Pressekonferenz auf einem Lokalsender anschaute. Dann wurde wieder zu dem Reporter in Rapallo umgeschaltet. Dieser hatte aus dem »Umfeld der Ermittler« (sprich von Vitone) Informationen erhalten, die ein weniger vorsichtiges Bild des Verdächtigen zeichneten. »Maurizio Merli ist ein gewalttätiges Subjekt, das mit der Drogenabhängigkeit – Kokain – zu kämpfen hat, er ist vorbestraft wegen Misshandlung von Frauen und sexueller Belästigung. Er stand wegen Vergewaltigung vor Gericht, wurde allerdings freigesprochen. Auch der Prozess wegen eines Überfalls auf einen Geldtransporter, bei dem ein Wachmann starb, endete mit Freispruch.« Das verschwitzte Gesicht des Reporters verschwand, dafür erschien auf dem Bildschirm ein Foto des Flüchtigen. Es war durch die Vergrößerung etwas unscharf geworden, aber noch gut erkennbar. Dann schickte der Nachrichtensprecher die nächste Meldung durch den Äther.
Der Ingenieur schaltete den Fernseher aus, er war sichtlich zufrieden: Nach einem solchen Rummel in allen nationalen |281| und regionalen Nachrichtensendungen blieben Merli nicht mehr als vierundzwanzig Stunden Freiheit, falls er in Italien war. Einige Stunden mehr, falls er sich schon ins Ausland abgesetzt hatte.
Um die Presseleute zufriedenzustellen, hatte der Inspektor, nachdem die Mikros abgeschaltet waren, noch einige Einzelheiten verraten: Das Aufeinandertreffen von Merli und Barbara im Lokal der Schwester, vor rund einem Monat, die Avancen des Verdächtigen, die das Mädchen zurückgewiesen hatte. Es wurden sogar Abzüge von dem Foto verteilt, das er von ihr und ihren Freundinnen aufgenommen hatte. Die Korrespondenten der wichtigsten regionalen und überregionalen Zeitungen wurden außerdem über die Beschlagnahmung des Pickels informiert.
Venuti hielt seine Achseln zu dicht an Emanuela Merlis Gesicht.
»Entschuldige, kannst du ein bisschen auf Abstand bleiben? Du stinkst wie ein Wildschwein.«
Er schaute sie böse an: »Was meinst du, wie du stinken wirst, wenn du erst einmal ein paar Tage in Isolationshaft warst?«
»Wofür denn?«
»Vorschubleistung und Beihilfe zum Mord. Wir finden, so viel wir wollen. Ich kann dich für eine ganze Zeit aus dem Verkehr ziehen und auch deinen Laden dichtmachen. Ich wette, wenn ich da mal die Gesundheitspolizei hinschicke, dann finden die auch etwas. Oder ist dir eine schöne Steuerprüfung lieber?«
Sie schwieg eine Weile und schaute demonstrativ auf die Scheibe, hinter der Giampieri sie beobachtete, ohne gesehen zu werden.
»Es bringt nichts, wenn du die eiserne Lady spielst. Du weißt genau, dass wir deinen Bruder früher oder später |282| finden. Eine Frage der Zeit. Und je länger wir brauchen, desto stinkiger sind wir, wenn wir ihn haben. Und desto verzweifelter ist er. Und diese Kombination aus stinksaurem Bullen und verzweifeltem Banditen … die kannst du dir ausmalen. Denk mal drüber nach.«
Giampieri löste ihn ab, er versuchte es auf die sanfte Tour, aber sie lachte ihn aus: »Wenn du jetzt der Gute bist, dann ist ja alles bestens.«
»Ich bin nicht gut, ich lasse mich nur nicht vom Zorn hinreißen. Ich analysiere alle Daten und werte
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