Kein Sex ist auch keine Loesung
antritt, um sich bei einem der Beteiligten
der Fortsetzung hinzugeben.
Elisa kuschelt sich jetzt vielversprechend an mich, und in meiner Magengegend braut sich ein komisches Gefühl zusammen. Dieses
Gefühl hatte ich zuletzt mit schätzungsweise vierzehn.
Damals schwärmte ich für die Tochter meines Mathelehrers, die den verheißungsvollen Namen Loredana trug. Sie war drei Jahre
älter als ich und die schönste Frau, die ich je gesehen hatte. Ihr rotes Haar trug sie meist zu einem Kranz geflochten auf
dem Kopf, und sie ging mit dem |70| coolsten Typen an der ganzen Schule. Zwei Jahre bevor ich geschlechtsreif wurde, zog sie um. Ich habe seitdem nie wieder eine
Frau so sehr geliebt.
Als dramaturgische Steigerung zum kuscheligen Aneinanderklammern fällt mir spontan nur seliges Einschlafen ein, und genau
das tut Elisa gerade. Ihr Kopf plumpst auf meine Schulter, und zähneklappernd säuselt sie in mein Ohr: «Mir ist sooo kalt.
Außerdem muss ich mal.»
Gut, ich gebe zu, die Vorzeichen für einen freudlosen Ausgang des Abends mehren sich, aber ich bin noch nicht bereit aufzugeben.
Nachdem ich Elisa Richtung Toilette geschoben habe, begleiche ich die Rechnung. Fünf Caipirinha müssten nachweislich ihren
Körper erreicht haben, und ich werde wohl froh sein können, wenn sie überhaupt lebend vom Klo wiederkommt. Gerade als ich
schon überlege, ob der Barkeeper wohl gegen mich aussagen würde, falls Elisa einer Alkoholvergiftung erliegt, erscheint sie
wieder auf der Bildfläche. Sie sieht kein bisschen betrunken aus, einzig ihr leicht glasiger Blick und der zielstrebige Griff
nach meinem Arm deuten einen erhöhten Alkoholpegel an. Erleichtert lege ich den Arm um sie, geleite sie lässig zum Auto und
öffne ihr galant die Beifahrertür. Noch scheint nicht alles verloren.
Während der Heimfahrt schweigen wir. Genauer gesagt: Elisa summt Lieder aus dem Radio mit, und ich arbeite mich im Geiste
weiter in ihr Schlafzimmer vor. Dabei überlege ich, zu welcher Sorte Frau sie wohl gehört. Typ 1, die einen Mann unter fadenscheinigen
Gründen, wie etwa Kaffee, Briefmarken oder Angst im Dunkeln, mit zu sich in die Wohnung lockt, um dann hemmungslos über ihn
herzufallen? Oder ist sie vielleicht eher Typ 2, eine Frau, |71| die den Mann mit Sprüchen wie ‹Komisch, ich bin noch gar nicht müde› dazu ermutigt, sich selbst einzuladen?
Etwa zwei Minuten später werde ich beim Erreichen ihres Wohnblocks auf barbarische Weise von der Existenz einer dritten Sorte
Weib belehrt. Typ 3 drückt einem nämlich ihren lippenstiftverschmierten Mund auf die Wange und murmelt statt eines unanständigen
Angebots etwas, das stark nach Caipirinha riecht und ungefähr so klingt wie «Helmut ist ein grosssser Künssstler, und du bissstsssnpff …».
Und dann verschwindet Elisa schneller als Aschenputtel um Mitternacht.
Ich gebe zu, ich bin enttäuscht.
Dass man als Mann mit seinen sexuellen Bedürfnissen nicht ernst genommen wird, lehrt einen das Leben schon sehr früh. Deshalb
weiß ich auch längst, dass es kein gutes Zeichen ist, wenn Frauen beim ersten Date keinen Sex haben wollen. Diese Art moralischer
Bedenken sollen nämlich Folgendes signalisieren: ‹Hey, ich bin keine Frau für eine Nacht, und wenn du nur ficken willst, bist
du bei mir an der falschen Adresse.›
Das wiederum veranlasst uns Männer zu folgender gedanklichen Gegenreaktion: «Okay, Baby, jetzt zick mal nicht gleich rum.
Wirst schon noch sehen, was dir entgeht. Spätestens wenn ich eine deiner Freundinnen flachgelegt habe.»
Auf dem Weg zu mir nach Hause versuche ich, mir diese Argumentation schönzureden, was jedoch durch die Tatsache erschwert
wird, dass ich Elisas Freundinnen noch nicht kenne.
|72| Es heißt ja, Frauen wollen erobert werden. Das trifft die Sache aber nur halb. Natürlich wollen Frauen im herkömmlichen Sinn
umworben werden und fühlen sich unendlich geschmeichelt, wenn man sich monatelang für sie zum Affen macht. Allerdings hat
das Männchen bei erfolgreichem Werben dann sein erobertes Weibchen auch lebenslänglich an der Backe. Jedenfalls wenn es nach
dem Weibchen geht.
Nur kann ich mir eben nicht vorstellen, für den Rest meiner Tage monogam zu leben. Und mit dieser Ansicht stehe ich wohl kaum
allein da.
Oder?
Jedes Mal, wenn ich in einschlägigen Frauenmagazinen (Zahnarzt) über Umfragen zum Thema Treue stolpere, läuft mir ein kalter
Schauer den Rücken herunter. Da
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