Kein Sex ist auch keine Loesung
sie gleichzeitig
die Katze vom Tisch fegt.
Ich mag die Art, wie sie sich bewegt, wie sie die Hände benutzt, um Dinge zu beschreiben, und ihren eigenartigen Gang. Bei
jedem Schritt wippt sie mit den Zehenspitzen leicht nach, so wie es eigentlich nur Comicfiguren tun, die sich gerade besonders
unauffällig bewegen wollen.
Zu meinem Bedauern hat sich Elisa inzwischen angezogen. Die eigenwillige Kombination aus schwarzer Nadelstreifenhose und pinkfarbenem
Kleid im Chinalook sieht an ihr dermaßen umwerfend aus, dass ich mich spontan |64| dazu bereit erklären würde, den Abend zu Hause mit ihr auf dem Sofa zu verbringen. Leider hat sie andere Pläne.
«Ich bin ein Riesenfan von Helmut Newton und wahnsinnig gespannt auf die Ausstellung», freut sie sich, und ihre Augen funkeln
wie die eines Rentners, der gerade im Keller heimlich einen Schluck Cognac zu sich genommen hat.
Für dieses Lächeln würde ich notfalls noch ein paar Stunden auf den Sex warten. Notfalls.
Im Stilwerk tummelt sich bereits die selbsternannte Kunstszene. Alle sind da, auch wenn niemand so recht zu wissen scheint,
warum. Keiner der 150 geladenen Gäste macht auf mich den Eindruck eines Experten. Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass
die Mehrheit der hier versammelten B-Prominenz nicht mal bemerken würde, wenn der Meister auferstanden wäre und sich unter die Menge mischen würde.
Während Elisa sämtliche Bilder inspiziert, als müsse sie morgen einen Schulaufsatz darüber schreiben, plane ich im Geiste,
wie ich mich zu späterer Stunde am geschicktesten in ihr Schlafzimmer schmuggeln könnte. Nach einigen diffusen Gedankenblasen
entscheide ich mich, auf Nummer sicher zu gehen und das Opfer erst einmal zu betäuben. Cocktails erscheinen mir hierfür die
geeignete Methode – am besten gleich intravenös.
Es erweist sich jedoch als echte Herausforderung, Elisa von den Fotografien loszueisen, und Hochprozentiges lässt sich vor
Ort leider auch nicht auftreiben. Allerdings finde ich eine Sektbar, an der sich schon mal «Phase eins» einleiten lässt. Sosehr
mich der Anblick der vielen halbnackten |65| bis nackten Frauen auch begeistert, noch mehr drängt es mich, meiner Begleitung endlich zu Hause die überflüssigen Fummel
vom Leib zu reißen.
Dies sind die eigentlichen Momente, in denen die Geduld eines Mannes maßgeblich auf die Probe gestellt wird. Nicht etwa Schuhe
kaufen im Schlussverkauf oder Spieleabende mit ihrer rechthaberischen, besten Freundin und deren beschränktem Freund.
Und während Elisa weiterhin jedes Foto stundenlang mit Argusaugen begutachtet, lasse ich mir bei jedem dritten Bild einen
neuen Trinkspruch einfallen, damit sie brav ihre Gläschen leert. Das dauert mir mittlerweile jedoch entschieden zu lange,
und deshalb vergessen Sie am besten alles, was ich vorher über Vorfreude und den ganzen Quatsch erzählt habe. Manche Dinge
dulden keinen Aufschub. Ein neuer Plan muss her. Locationwechsel ist das Zauberwort, das mich – zwar über einen bislang nicht
einkalkulierten Umweg, aber unter diesen Umständen dennoch am schnellsten – zum Ziel bringen soll. Ich weise dezent auf meinen
gefühlten Bandscheibenvorfall hin und ernte einen mitleidigen Blick und das sofortige Versprechen, einen Sitzplatz für uns
beide anzustreben.
Schräg gegenüber liegt das «Au Quai», das nicht nur freien Blick auf den beleuchteten Hafen, sondern außerdem Alkoholisches
in Hülle und Fülle zu bieten hat. Die noble Bar zählt zwar noch nicht zu einem von den Krankenkassen empfohlenen Kurort, dennoch
lässt sich Elisa nun endlich von den Bildern loseisen. Was sie jedoch nicht davon abhält, ohne Unterbrechung weiter von Helmut
Newton zu schwärmen. Ich finde ja, dass sich das in Gegenwart eines anderen Mannes nicht gehört, aber Eitelkeit stünde |66| meinem Vorhaben heute sicher nur im Wege. Also mache ich gute Miene zum bösen Spiel und heuchele ebenfalls Begeisterung.
Am Zielort angekommen, beginne ich sogleich, für uns Caipirinha zu apportieren, drehe Elisa gen Hafenpanorama und sage mit
rauer Stimme: «Auf Helmut Newton!», wobei ich ihr zuproste und dabei tief in die Augen schaue.
Sie hält meinem Blick kurz stand, wendet sich dann aber nervös wieder Richtung Wasser. Am anderen Elbufer sind die Docks und
die darin liegenden Schiffe angestrahlt. Dort, wo noch gearbeitet wird, ist das Licht etwas greller, und ein paar Kräne bewegen
sich.
Ich wette, sie findet es
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