Kein Sex ist auch keine Loesung
Stewardess verhält sich da schon wesentlich großzügiger, nicht nur was den Blick in ihr prallgefülltes Dekolleté
beim Kaffeeeinschenken anbelangt. Auch als ich mit meinen fünfundzwanzig Pappen den Notausgang blockiere – den braucht ja
wohl während des Fluges sowieso keiner –, behält sie die Nerven. Ich nicke ihr dankbar zu und kann nur hoffen, dass sie es nicht als unhöflich empfindet, nicht weiter
von mir angebaggert zu werden – so etwas gehört ja heutzutage schon zum guten Ton.
Aber im Moment habe ich wirklich Wichtigeres zu tun. |113| Freundlich, aber bestimmt verweigere ich mich und das angebotene Sandwich und kann endlich damit beginnen, einen roten Faden
für die bislang wichtigste, aber bis zu diesem Zeitpunkt auch am schlechtesten vorbereitete Präsentation zu spinnen, die je
ein Mensch gehalten hat.
Ich darf es nicht vermasseln. Ich darf es nicht vermasseln. Ich darf es nicht vermasseln. Ich …
Ich dachte immer, diese Mantras würden meditative Wirkung haben und sogar Gottheiten wecken. Ich dagegen werde immer unruhiger,
je öfter ich mir den Quatsch aufsage. Außerdem kostet es mich wertvolle Zeit, die ich besser sinnvoll nutzen sollte.
Ob Elisa schon aufgestanden ist? Ich könnte vielleicht nach der Präsentation mal kurz bei ihr anrufen und berichten, wie es
gelaufen ist. Aber vielleicht meldet sie sich ja auch bei mir? Oder interessiert sie das womöglich alles einen Scheißdreck?
Vielleicht hat sie einfach ihren Teil der Arbeit getan, schreibt heute – bevor Rolf komplett pleite ist – die Rechnungen für
die Überstunden und freut sich ein Loch in den Bauch, dass sie das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden konnte.
Ein Glück, dass ich ihr gestern nicht auch noch eine Pizza spendiert habe, denn dazu sind wir ja glücklicherweise nicht mehr
gekommen. Aber wenn ich mich so an den Abend erinnere, muss ich schon sagen, dass ich ansonsten wirklich alles gegeben habe.
Schön war es. Und das Beste ist: Sofern ich mich an meine eigenen Regeln halte – und ich bin ja bekanntlich ein Mann der Prinzipien –, könnten wir sogar noch einmal Sex haben. Wahnsinn!
|114| Gleich nach der Landung in München sprinte ich los, schnappe mir ein Taxi und versuche krampfhaft, während der Fahrt die Stichworte,
die ich mir unterstützend auf die Handinnenfläche geschrieben habe, auswendig zu lernen und anschließend wieder abzurubbeln.
Der Taxifahrer ist vermutlich einer indischen Rennfahrerdynastie entsprungen, denn er manövriert uns entsprechend rasant durch
den urbayerischen Großstadtdschungel. Gern hätte ich ihn zu seiner Meinung über Mantras befragt, will ihn aber nicht überfordern.
Gerade hat er sich nämlich das Lenkrad zwischen die Unterarme geklemmt, um beidhändig einen Doppelwhopper halten zu können,
von dem er nun herzhaft abbeißt.
Punkt zehn Uhr bremst er rülpsend vor dem modernen Glaspalast der Firma Cremand & Sohn. Ich unterdrücke den Drang,
in seinen Kragen zu kotzen, zeige mich stattdessen großzügig mit dem Trinkgeld und wundere mich einmal mehr, dass hier tatsächlich
auch in Euro gezahlt wird.
Eine rundliche Empfangsdame, Typ Gaby Köster (nur frisiert), kommt mir auf hohen Hacken hektisch entgegengetippelt. Kritisch
beäugt sie meine zusammengeschnürten Pappen, macht auf dem Absatz kehrt und bedeutet mir, durch burschikoses Winken, ihr eiligst
zu folgen.
Durch eine imposante Eingangshalle hasten wir nun gemeinsam Richtung Aufzug. Während sie drei Schritte machen muss, brauche
ich nur einen, um in den bereits wartenden Fahrstuhl zu springen.
Renate Huber, so entnehme ich dem Namensschild an ihrem bajuwarischen Vorbau, drückt auf die Taste 11 . Die Tür schließt sich, und Renate dreht sich so zu mir herum, |115| dass sie mich aus tiefergelegten Glupschaugen neugierig mustern kann. Zwischen der dritten und vierten Etage bricht sie das
Schweigen:
«Sie san also oaner von dene, die wo immer diese Reklame moachen.»
«Hmm.»
Mir ist jetzt wirklich nicht nach Smalltalk.
«Sie, des wos do grad im Fernsehen läuft, des mit dea nackerten Frau, die wo do nach der Dusche si oakremt tut, is des o von
eana?»
Keine Ahnung, was sie meint, aber ein bisschen Bewunderung hat schließlich noch niemandem geschadet.
«Ja», lüge ich ins Blaue hinein und versuche, ihrem misstrauischen Blick auszuweichen.
Ihre Miene verfinstert sich jedoch. «Des hob i mia scho g’denkt. Sie, des is a ganz a großer Schmarrn, a ganz
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