Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One
Stone, die jetzt mit den Detectives Krinsky und Dimonte vom New York Police Department zusammenarbeiteten, hielten ihr das Schriftstück unter die Nase.
»Durchsuchungsbefehl«, verkündete Carlson.
Raisa trat wortlos zur Seite. Sie war in der Sowjetunion aufgewachsen. Aggressive Polizisten brachten sie nicht aus der Ruhe.
Acht von Carlsons Männern strömten durch die Tür und fingen an, Haus und Garten zu durchsuchen.
»Alles auf Video aufnehmen«, rief Carlson. »Keine Schlampereien.«
Sie beeilten sich, weil sie hofften, ihren halben Schritt Vorsprung vor Hester Crimstein auf diese Weise halten zu können. Carlson wusste, dass sich Crimstein wie viele ihrer gewieften Kollegen in der Post-O.J.-Simpson-Ära an Vorwürfe polizeilicher Inkompetenz und/oder polizeilichen Fehlverhaltens klammerte wie eine Napfschnecke. Carlson, seinerseits ein gewiefter Gesetzeshüter, würde das nicht zulassen. Jeder Schritt, jede Bewegung, jeder Atemzug wurde festgehalten und verifiziert.
Als Carlson und Stone in Rebecca Schayes’ Atelier geplatzt waren, hatte Dimonte keine Freudensprünge gemacht. Man hatte mit allerhand Macho-Posen das Revier markiert, wie es beim Aufeinandertreffen von örtlicher Polizei und FBI Brauch war. Zwischen der örtlichen Mordkommission und dem FBI gibt es - speziell in einer Metropole wie New York City - nur wenig Verbindendes.
Eins davon war Hester Crimstein.
Beide Dienststellen wussten, dass Crimstein es meisterhaft verstand, klare Sachverhalte zu vernebeln und Fälle an die Öffentlichkeit zu zerren. Bei einem Fall wie diesem würde ihnen die ganze Welt auf die Finger schauen. Keiner wollte für einen eventuellen Misserfolg verantwortlich sein. Das war die treibende Kraft bei dieser Angelegenheit. Also gingen sie ein Bündnis ein, das etwa so viel galt wie ein Händedruck zwischen Palästinensern und Israelis. Denn beide Seiten wussten, dass sie ihre Beweise schnell finden und erfassen mussten - bevor Hester Crimstein den Schlamm aufrührte.
Das FBI hatte den Durchsuchungsbefehl besorgt. Sie brauchten nur über die Federal Plaza zum Southern District Federal Court zu gehen.
Dimonte und das NYPD hätten für einen Durchsuchungsbefehl zum County Courthouse in New Jersey gemusst - mit Hester Crimstein auf den Fersen hätten sie damit viel zu viel kostbare Zeit verschwendet.
»Agent Carlson!«
Der Schrei kam von draußen. Carlson stürzte aus dem Haus. Stone trottete hinter ihm her. Dimonte und Krinski folgten ihnen. Am Bordstein stand ein junger FBI-Beamter vor einem offenen Mülleimer.
»Was ist?«, fragte Carlson.
»Hat vielleicht gar nichts zu bedeuten, Sir, aber …« Der junge Beamte zeigte auf etwas, das wie ein Paar hastig weggeworfener Latexhandschuhe aussah.
»Einpacken«, sagte Carlson. »Und wir brauchen sofort einen Schmauchspuren-Test.« Carlson sah Dimonte an. Hier war wieder ein bisschen Kooperation gefragt - diesmal auf dem Weg gesunden Konkurrenzdenkens. »Wie lange braucht Ihr Labor dafür?«
»Einen Tag«, sagte Dimonte. Er hatte einen frischen Zahnstocher im Mund und bearbeitete ihn ziemlich heftig. »Vielleicht zwei.«
»Zu lange. Dann lassen wir die Beweisstücke in unser Labor nach Quantico fliegen.«
»Kommt überhaupt nicht in Frage«, fauchte Dimonte.
»Vereinbart war, dass wir jeweils die schnellste Möglichkeit nutzen.«
»Hier geht’s schneller«, sagte Dimonte. »Ich kümmere mich darum.«
Carlson nickte. Darauf hatte er spekuliert. Wenn man die örtliche Polizei auf Trab bringen wollte, brauchte man nur damit zu drohen, ihnen den Fall aus der Hand zu nehmen. Konkurrenz. Prima Sache.
Eine halbe Stunde später hörte er einen zweiten Schrei, diesmal aus der Garage. Wieder rannten sie hin.
Stone stieß einen kurzen Pfiff aus. Dimonte glotzte. Carlson bückte sich, um das Beweisstück näher in Augenschein zu nehmen.
Unter den Zeitungen in der Recycling-Tonne lag eine 9-Millimeter-Pistole. Ein kurzes Schnüffeln verriet ihnen, dass die Waffe erst kürzlich benutzt worden war.
Stone wandte sich an Carlson. Er passte auf, dass sein Lächeln nicht von einer Videokamera erfasst wurde.
»Jetzt haben wir ihn«, sagte er leise.
Carlson schwieg. Er sah zu, wie der Mann von der Spurensicherung die Waffe in eine Plastiktüte steckte. Dann dachte er nach und runzelte die Stirn.
23
Der Notruf auf meinem Pieper betraf TJ. Er hatte sich den Arm an einem Türrahmen aufgeschürft. Bei den meisten Kindern wäre der Fall mit einem Desinfektionsspray und einem
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