Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One
stellen.«
»Verhaftet?«
»Hören Sie mir zu, Beck.«
»Ich habe nichts getan.«
»Das ist jetzt erst einmal irrelevant. Die werden Sie verhaften. Sie werden Sie vor Gericht stellen. Dann kriegen wir Sie auf Kaution frei. Ich bin schon auf dem Weg zur Klinik, um Sie abzuholen. Bleiben Sie, wo Sie sind. Reden Sie mit niemandem, verstanden? Weder mit der Polizei noch mit dem FBI und mit Ihrem neuen Freund in der Zelle schon gar nicht. Haben Sie das verstanden?«
Mein Blick blieb auf der Uhr über der Untersuchungsliege hängen. Es war ein paar Minuten nach zwei. Washington Square. Ich dachte an den Washington Square. »Ich kann mich jetzt nicht verhaften lassen, Hester.«
»Es kommt alles in Ordnung.«
»Wie lange dauert das?«, fragte ich.
»Wie lange dauert was?«
»Bis ich auf Kaution freikomme?«
»Das kann ich nicht genau sagen. Ich glaube nicht, dass die Kaution an sich zum Problem wird. Sie sind nicht vorbestraft. Sie sind ein rechtschaffener Bürger mit Wurzeln und Bindungen in der Gesellschaft. Wahrscheinlich wird nur Ihr Pass eingezogen …«
»Aber wie lange dauert das?«
»Was dauert wie lange, Beck? Ich verstehe Sie nicht.«
»Bis ich wieder draußen bin?«
»Hören Sie, ich werde versuchen, das Verfahren zu beschleunigen, okay? Aber selbst wenn die sich beeilen - und das kann ich Ihnen wirklich nicht versprechen -, müssen sie trotzdem erst Ihre Fingerabdrücke nach Albany schicken. Das ist Vorschrift. Wenn wir Glück haben - und da brauchen wir eine Menge Glück -, kriegen wir es hin, dass die Haftprüfung um Mitternacht stattfindet.«
Mitternacht.
Angst legte sich wie ein stählernes Band um meine Brust. Gefängnis hieß, den Termin am Washington Square Park zu verpassen. Meine Verbindung zu Elizabeth war so schrecklich zerbrechlich. Wie Fäden aus Muranoglas. Wenn ich nicht um fünf am Washington Square war …
»Geht nicht«, sagte ich.
»Was?«
»Sie müssen das hinauszögern, Hester. Die können mich morgen verhaften.«
»Das soll doch wohl ein Witz sein, ja? Hören Sie, wahrscheinlich sind sie schon da und beobachten Sie.«
Ich stieß die Tür auf, steckte den Kopf hindurch und blickte den Flur entlang. Von meiner Position aus konnte ich nur einen Teil des Empfangsbereichs sehen, die rechte Ecke, aber das reichte.
Ich sah zwei Cops - aber vielleicht waren da noch mehr.
»Herrgott«, sagte ich, zog mich ins Zimmer zurück und lehnte die Tür an.
»Beck?«
»Ich kann heute nicht ins Gefängnis gehen«, sagte ich. »Nicht jetzt.«
»Verlieren Sie jetzt nicht die Nerven, Beck, okay? Bleiben Sie, wo Sie sind. Rühren Sie sich nicht von der Stelle, sagen Sie nichts, tun Sie einfach gar nichts. Bleiben Sie in Ihrem Büro und warten Sie auf mich. Ich bin auf dem Weg.«
Sie beendete das Gespräch.
Rebecca war tot. Die dachten, ich hätte sie umgebracht. Das war natürlich lächerlich, aber es musste eine Verbindung geben. Gestern hatte ich sie seit acht Jahren zum ersten Mal wieder gesehen. Am gleichen Abend war sie tot.
Was zum Teufel war hier los?
Ich öffnete die Tür und spähte zum Empfangsbereich hinüber. Die Cops sahen nicht in meine Richtung. Ich schlüpfte aus dem Zimmer und ging leise den Flur entlang in die entgegengesetzte Richtung. Dort befand sich ein Notausgang. Durch ihn konnte ich verschwinden. Dann konnte ich mich auf den Weg zum Washington Square Park machen.
Geschah das alles wirklich? Wollte ich tatsächlich vor der Polizei fliehen?
Ich wusste es nicht. Aber als ich an der Tür war, warf ich einen kurzen Blick über die Schulter. Einer der Cops sah mich. Er deutete mit dem Finger auf mich und lief auf mich zu.
Ich stieß die Tür auf und rannte los.
Es war nicht zu fassen. Ich flüchtete vor der Polizei.
Der Notausgang führte auf eine düstere Straße direkt hinter der Klinik. Ich kannte die Straße nicht. Das mag seltsam klingen, aber dies hier war nicht mein Viertel. Ich kam her, arbeitete hier und ging wieder. Ich verbrachte den ganzen Tag in einem fensterlosen Zimmer und wurde durch den Mangel an Tageslicht immer verdrießlicher. Schon einen Block von meinem Arbeitsplatz entfernt befand ich mich auf mir vollkommen unbekanntem Terrain.
Da ich mich für irgendeine Richtung entscheiden musste, hielt ich mich rechts. Ich hörte, wie hinter mir die Tür aufflog.
»Halt! Polizei!«
Das riefen sie wirklich. Ich rannte weiter. Würden sie schießen? Ich bezweifelte es. Einen unbewaffneten Mann auf der Flucht in den Rücken zu schießen, zog doch
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