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Kein Tod wie der andere

Kein Tod wie der andere

Titel: Kein Tod wie der andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Ness
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mir oder Mattis gegenüber hatte sie sich weniger distanziert verhalten.« Sie unterbrach kurz, weil der Wasserkocher fertig war. Aber Peter war bereits aufgestanden und goss den Tee auf.
    »Tja, und heute Morgen sind wir dann aufgewacht, weil in Noras Zimmer ein heftiger Streit tobte. Ich habe eine Zeit lang gebraucht, bis ich aus Nora herausbekommen hatte, was geschehen war. Beide waren früh aufgewacht und konnten nicht mehr schlafen. Sie hatten dann wohl mit Rollenspielen angefangen, in denen sie auf Abenteuer gingen. Wahrscheinlich noch eine Nachwirkung vom Lagerfeuer gestern Abend. Dann hat Nora eine Schatzsuche vorgeschlagen. Das ging zunächst gut, bis Zoé dann tatsächlich Noras Schatzkiste gefunden hatte. Das ist ein Schuhkarton, den sie mit Bildern und Mustern beklebt hat und in dem sie allerlei Schätze aufhebt.« Beim Wort »Schätze« machte Marie in der Luft zwei Anführungszeichen.
    »Nachdem Nora Zoé ihren Schatz gezeigt hatte, ist Zoé wohl völlig ausgetickt. Sie hat Nora die Kiste weggerissen und ihr verboten, sie jemals wieder zu suchen oder gar anzufassen. Ist dann aus dem Zimmer rausgerannt. Nora ist natürlich hinterher. Aber Zoé hat sich mit aller Macht dagegen gewehrt, die Kiste wieder herzugeben. Am Ende hat sie Nora heftig umgestoßen und ist wieder in das Kinderzimmer zurück. Seitdem sitzt sie in der äußersten Ecke, hat die Kiste mit beiden Händen umschlossen und lässt keinen an sich ran. Es dauerte über eine Viertelstunde, bis ich Nora wieder so weit getröstet hatte, dass sie zu weinen aufhörte. Jetzt ist sie ein wenig trotzig und ist deshalb ins Zimmer zurückgekehrt. Ich kann ihr das nicht verbieten. Ich glaube auch nicht, dass es für Zoé besser wäre, wenn sie allein im Zimmer wäre, eher umgekehrt. Nur Nora versteht das alles natürlich nicht.«
    Buhle hatte aufmerksam zugehört, fragte sich allerdings, warum das Ganze für ihn so wichtig sein sollte. Er wollte aber auf keinen Fall Kritik äußern und sagte deshalb: »Wenn ich ehrlich bin, verstehe ich das auch nicht so richtig.«
    »Das glaube ich dir. Ein wichtiges Detail habe ich dir noch nicht erzählt.« Marie holte tief Luft. »Als Zoé die Kiste vor Nora verteidigte, rief sie nicht Noras Namen, sie rief Anne, immer wieder Anne.« Sie schaute Buhle einen Moment schweigend an. »Du verstehst immer noch nicht, oder?«
    Nein, er verstand immer noch nicht.
    »Du kennst dich doch auch ein bisschen in Psychologie aus. Weißt du, was ein Trigger ist?«
    »Trigger? Das ist doch ein Schlüsselerlebnis oder so?«
    »Nicht ganz, so nennt man einen Schlüsselreiz, und zwar bezogen auf einen traumatisierten Menschen. Das kann alles Mögliche sein: ein Gegenstand, eine Musik, ein Duft. Irgendetwas, das die Person mit einem traumatischen Ereignis verbindet. Das kann auch ganz unterbewusst geschehen.«
    »Und du meinst, Noras Schatzkiste ist so ein Trigger für Zoé?«, fragte Buhle nach.
    »Ja, das glaube ich. Zoé muss mit der Schatzkiste etwas verbinden, das sie an ihre Schwester, vielmehr an den Tod ihrer Schwester, erinnert. Und zwar heftig erinnert.«
    »Glaubst du, dass es auch etwas sein könnte, das sie in der Schatzkiste gesehen hat?«
    »Möglicherweise ja. Aber dann müsste es schon etwas sein, das sie oder ihre Schwester auch hatte. Soweit ich weiß, hat Nora vor allem Klebebildchen, Perlen und so etwas drin. Also eher nichts Unverwechselbares.«
    »Und wieso meinst du, dass das wichtig für mich ist?« Buhle hatte ganz vorsichtig gesprochen, um Marie ja nicht zu verärgern.
    »Ihr wisst doch nicht, was die Ursache für die Erkrankung von Anne war. Aber anscheinend verbindet Zoé etwas mit dem Tod ihrer Schwester, vielleicht etwas, wodurch sie sich schuldig fühlt. Vielleicht etwas, das mit einer Schatzkiste zu tun hat, Zoés Schatzkiste. Ihr solltet danach suchen, meine ich jedenfalls.«
    »Gut, ich werde bei der Spurensicherung nachfragen, ob sie so etwas bei den Kindern gefunden haben. Und wenn es eine Schatzkiste dort gibt, werden wir sie genauer untersuchen. Sollen wir die dann mitbringen?«
    »Nein, bloß nicht. Ich bin froh, wenn ich Zoé irgendwie wieder beruhigen und ihr diese Kiste abnehmen kann. Ich wollte eigentlich heute mit Mattis und den Mädchen nach Berdorf zu Claudille fahren. Das hatte ich beiden versprochen. Aber wie es aussieht, wird es nicht klappen.«
    Peter Kasper hatte die ganze Zeit ruhig und aufmerksam zugehört. Jetzt meldete er sich zu Wort. »Vielleicht könnte ich ja mit Mattis und Nora

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