Kein Tod wie der andere
resümierte Reuter, dass Deutschland in dieser Hinsicht auch nicht viel besser dastand als sein kleines verschrienes Nachbarland: Auf einer Liste der Staaten mit guten Möglichkeiten für Geldwäsche folge die Bundesrepublik dem Großherzogtum nur mit geringem Abstand.
Was das persönliche Umfeld der Altmüllers anging, fasste Niko Steffen die vielen Gespräche mit Nachbarn, Kollegen und Bekannten über die Familie Altmüller und ihre verstorbenen Mitglieder zusammen. Offenbar hatten die Altmüllers als Zugezogene zunächst Mühe gehabt, in der von etablierten sozialen Strukturen geprägten Eifel Fuß zu fassen. Darüber hatten sich zwar einzelne der Befragten verwundert gezeigt, doch war das in dieser ländlichen Region eigentlich normal. Die ersten und auch tiefer gehenden Bekanntschaften waren in Kindergärten und Schulen über die Kinder und deren Freunde entstanden. Hier hatte sich Suzanne anfangs sehr bemüht, konnte aber nach Beginn ihrer Tätigkeit im Krankenhaus nicht mehr die notwendige Zeit und Energie aufbringen. Dazu kam, dass sie als außerordentlich anspruchsvoll und prinzipientreu galt. Manche hatten sie dadurch trotz ihrer freundlichen Art als unnahbar empfunden.
Einen guten Kontakt hatte Suzanne Altmüller zu Bernd und Claudia Hermann gepflegt. Deren Tochter Maja war Zoés beste Freundin. Suzanne hatte Zoé oft abends in dem knapp zehn Kilometer entfernten Ralinger Ortsteil Edingen abgeholt. Bisweilen trafen sich die Familien zu gemeinsamen Wochenendunternehmungen, an denen Alexander Altmüller jedoch selten teilnahm. Die Hermanns beschrieben am aussagekräftigsten die Veränderungen nach dem Tod von Anne. Suzanne Altmüller war kurzzeitig in sich zusammengefallen, rappelte sich aufgrund ihres Pflichtbewusstseins gegenüber Zoé und ihrer Arbeit wieder auf, zog sich aber privat vollends zurück. Nicht so offensichtlich, aber eigentlich schwerwiegender waren die Veränderungen von Zoé gewesen. Oberflächlich schien sie der Tod ihrer Schwester nicht sonderlich zu berühren. Sie führte ihr Leben in Schule und Vereinen weiter wie bisher. Doch war sie häufiger krank, teils geistesabwesend, teils überaus empfindlich und bisweilen aggressiv auch ihren Freundinnen gegenüber. Mit der ein halbes Jahr älteren Maja gab es immer häufiger Spannungen. Die beiden trafen sich immer seltener, obwohl Majas Eltern bewusst versuchten, die Freundschaft aufrechtzuerhalten. Während Zoés Klassenlehrerin die Beobachtungen der Familie Hermann teilte, hatten viele andere eher erstaunt berichtet, wie gut Zoé doch mit der schwierigen Situation zurechtgekommen sei.
Einen tieferen Einblick in die Ehe von Suzanne und Alexander Altmüller hatte die einzige Person gegeben, die sich als Freundin von Suzanne bezeichnete. Mit einem etwas süffisanten Lächeln übernahm an diesem Punkt Nicole Huth-Balzer die Berichterstattung, weil ihr Kollege vom Äußeren der Befragten so vereinnahmt gewesen war, dass er sich offensichtlich nicht so recht auf die Inhalte dieses Gesprächs konzentrieren konnte. Clarissa Tomacek, die sich als Suzannes Seelenverwandte bezeichnete, hatte wirklich außerordentlich gut ausgesehen. Die gebürtige Tschechin erzählte von den zunehmenden Problemen zwischen Suzanne und ihrem Mann.
Es war vor allem um die Verteilung der Pflichten in Kindererziehung und Haushalt gegangen. Eigentlich hatten beide vereinbart, dass Alexander als freier Journalist die Betreuung der Kinder und zumindest die notwendigsten Arbeiten im Haushalt übernehmen würde. Es hatte aber von Anfang an nicht richtig geklappt. Die mehrmals gewechselte Haushaltshilfe hatte nicht die erwünschte Entspannung gebracht. Entscheidender aber waren die unterschiedlichen Einstellungen der Eheleute gewesen. Alexander nahm alles viel lockerer, ließ den Kindern alle Freiheiten, vergaß hier und da Termine, störte sich nicht an sich wiederholenden Nudelgerichten, vernachlässigte zunehmend den weiteren Hausausbau. Trotzdem hatte er wohl gespürt, wie die Zeit für seine ehrgeizige journalistische Tätigkeit durch die familiären Pflichten stärker eingeengt wurde, als er ursprünglich gedacht hatte. Suzanne hatte von der immer stärker werdenden Unzufriedenheit ihres Mannes berichtet. Für Clarissa Tomacek war es letztendlich nur eine logische Konsequenz gewesen, dass sich das Ehepaar nach und nach auseinanderlebte. Ihre eigene Beziehung mit einem erfolgreichen Geschäftsmann des großen luxemburgischen Stahlkonzerns ArcelorMittal funktionierte
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