Kein Tod wie der andere
wog die Enttäuschung über die nun fehlende Möglichkeit, beweiskräftige Indizien zum Mörder zu erhalten. Was hatten sie bislang von ihm? Die Abdrücke seiner Schuhe, sonst nichts.
»Nu macht mal nicht so ein Gesicht.« Die Wirkung seiner Information auf die beiden Kommissare schien Hieronimus’ Laune nicht im Geringsten zu mindern. »Wir finden bestimmt noch was Nettes für euch.«
»Das Problem ist nur, dass der Mörder nicht viele Spuren hinterlassen hat. Habt ihr schon das Auto von Alexander Altmüller untersucht?« Buhle bemühte sich, nicht zu frustriert zu klingen.
Jetzt antwortete Anja Kociol, eine kleine, etwas stämmige Beamtin in der ihr eigenen kernigen Art: »Nu mach mal langsam. Zunächst haben wir uns das Auto des Mordopfers vorgenommen. Hat doch bei euch immer erste Priorität, so was. Und bei den vielen Haaren, Textilfasern und Fingerabdrücken, wie wir da herausgeholt haben, kann das auch noch eine Weile dauern.«
Buhle kaute auf seinem Geflügel herum und nickte nur stumm. Damit schien er die junge Kollegin angestachelt zu haben. Sie legte ihr Besteck zur Seite und beugte zu ihm über den Tisch.
»Hast du gedacht, wir wären schon fertig? Nur weil ihr das ganze Pfingstwochenende lang durcharbeitet, heißt das nicht, dass wir nach ein paar Stunden schon den ganzen Kram untersucht haben, den ihr uns da angeschleppt habt.«
Buhle hob abwehrend die Hände. »Nee, ich weiß, dass ihr da eine Menge von uns vorgesetzt bekommen habt. Keine Kritik.«
»Schade, sonst hätte ich einen Grund gehabt, diese blöde Erbsensucherei den Kollegen zu überlassen, um mich diesem wunderbaren Unfallauto zu widmen. Ich liebe nämlich Schrottautos.«
Nachdem das verhaltene Gelächter am Tisch wieder verstummt war, setzte Buhle noch einmal an: »Also, wenn du keine Lust mehr auf Gemüse hast, dann schau doch mal nach, ob es vielleicht doch irgendein Indiz für die Beteiligung eines Dritten bei dem Unfall gibt.«
»Das wird aber nicht einfach sein«, antwortete Kociol zufrieden, »das Auto hat sich mehrmals überschlagen und hängt noch voller Dreck. Aber mal sehen, was sich machen lässt.« Der neue Auftrag schien ihr offensichtlich mehr zuzusagen als der Pudding, den sie halb voll wieder auf ihr Tablett stellte, um sich vor den anderen wieder an ihre Arbeit zu machen.
Auf dem Rückweg schauten Buhle und Gerhardts kurz bei Max Kienzig vom KDD vorbei. Der schien überrascht, dass sie ihm die aktuellen Informationen zum Mordfall persönlich überbrachten, und freute sich über den Dank seiner Kollegen für die anfangs geleistete Arbeit. In ihrem Büro in der Kürenzer Straße warteten bereits Huth-Balzer und Steffen auf sie. Sie hatten nun auch die restlichen Bekannten der Altmüllers erreicht, ohne zusätzliche Informationen oder auch nur weitere Eindrücke von der Familie zu erhalten.
Ergiebiger waren die Ausführungen des Chefarztes des Trierer Mutterhauses Dr. Sebastian Zetteritz gewesen. Das Krankenhaus hatte seinen Namen aus seiner Geschichte als Mutterhaus der Borromäerinnen erhalten, einer der ersten krankenpflegenden Ordensgemeinschaften überhaupt. Seit seiner Gründung Mitte des neunzehnten Jahrhunderts hatte es sich zu einer regional bedeutsamen Klinik entwickelt. Die Abteilung für Kindermedizin genoss in der Region den besten Ruf. Deswegen war es für Suzanne wohl auch keine Frage gewesen, Anne sofort hierher zu bringen, nachdem sie deren ernsten Gesundheitszustand erkannt hatte. Doch es hatte nichts genutzt. Zetteritz hatte glaubhaft vermitteln können, dass ihn das Schicksal der kleinen Anne persönlich getroffen hatte, auch wenn er beteuerte, dass seine Abteilung alles Erdenkliche getan hatte, was in der kurzen Zeit medizinisch sinnvoll gewesen war.
Es waren nur zwei Tage von den anfänglichen Symptomen bis zu Annes Tod vergangen. Am Morgen hatte das Mädchen über erste Kopfschmerzen geklagt, war müde und ohne Appetit gewesen. Suzanne war schon auf dem Weg zur Arbeit, und Alexander hatte einen Termin für einen kleineren Bericht im Auftrag der regionalen Tageszeitung. Als er dann aber bei Anne auch noch Fieber feststellte, musste er sie anstatt in die Kindertagesstätte wieder ins Bett bringen. Nach einem Telefonat mit seiner Frau hatte er ihr ein fiebersenkendes Zäpfchen verabreicht und sie fast den ganzen Tag schlafen lassen. Zetteritz hatte die Altmüllers ausdrücklich von einem Vorwurf freigesprochen, weil dieselben Symptome auch bei anderen, harmlosen Erkrankungen hätten auftreten
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