Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa
hatte kein einziger Gast nach dem Essen den Gastraum verlassen, stattdessen hatte die Bowlenkelle rotiert. Gesa und Ines,
die in der Küche währenddessen aufgeräumt hatten, waren völlig verdutzt, als sie nach einer relativ kurzen Zeit in den Gastraum
zurückkamen und die ersten Paare schon Foxtrott tanzten. Später schaute noch Jurek vorbei, und zu Gesas Überraschung kehrte
Eleonore Stehler wieder zurück. Allein und sichtbar beschickert. Sie hatte Hannas Angebot zur Bowle angenommen und war der
Einladung Guntram Bernds gefolgt, sich an seinen Tisch zu setzen. Adelheid hatte nur die Augenbrauen hochgezogen, sich aber
einen Kommentar verkniffen, schließlichwar Frau Stehler ein Gast. Wenn auch ein angetrunkener. Erst, als Frau Stehler später wackelig auf den Tisch stieg, um zu
tanzen, griff Adelheid ein. Adelheids Angebot, ihr beim Gang auf ihr Zimmer behilflich zu sein, lehnte Eleonore Stehler mit
einer unwirschen Geste ab, nahm jedoch dasselbe Angebot von Guntram Bernd an.
Inzwischen war auch Pierre gekommen, der sich gewundert hatte, dass bei ihm nichts und bei uns so viel los war. Heinz hatte
ihn begeistert empfangen. Als schließlich Gisbert von Meyer aufgetaucht war, hatten Gesa und Jurek beschlossen, das gesellige
Treiben zu verlassen.
Meine Frage, was Eleonore Stehler dann gemacht und was Ines dazu gesagt hätte, ging in Gesas entspannten Atemzügen unter.
Ich betrachtete sie noch eine Weile und beschloss, sie schlafen zu lassen und den nächsten Saunagang allein zu machen.
Die Sauna war leer, als ich sie betrat und mich auf die mittlere Bank setzte. Irgendwo und vor Jahren hatte ich einmal einen
Fragebogen gelesen, in dem man beantworten sollte, welchen Menschen man niemals in einer Sauna treffen wollte.
Als die Tür plötzlich aufging, wusste ich, wie meine Antwort lauten würde: Gisbert von Meyer.
Leider hatte ich diesen Fragebogen nie beantwortet, und leider hätte mir das jetzt auch nicht weitergeholfen. Mit einem um
die Hüfte gewickelten weißen Handtuch, auf dem seine Initialen eingestickt waren, stand er vor mir und riss die Augen auf.
Ich war mir nicht sicher, für wen von uns der Schock größer war, hatte allerdings den Vorteil, dass ich bereits im Dunkeln
saß, während er sich noch einen Platz suchen musste.
»Hallo, Gisbert.«
»Ähm, Christine? Ja, hallo. Auch in der Sauna, was?«
Er stapfte unbeholfen die Saunatreppen hinauf und ließ sichauf die Bank, die im rechten Winkel zu meinem Platz war, fallen. Ich zog die Beine hoch und umfing meine Knie mit den Armen,
ich hoffte, dass das eine Stellung war, in der er so wenig wie möglich erkennen konnte. Meine Überlegungen waren völlig überflüssig.
Er war so damit beschäftigt, wegzugucken, dass ich vor ihm hätte auf- und abspringen können, ohne dass er irgendetwas gesehen
hätte.
Also sagte ich nur: »Ich habe gehört, ihr hattet gestern einen lustigen Abend?«
»Ja.« Er presste die Antwort mehr heraus als er sie sagte. Bereits nach zwei Minuten rann der erste Schweißbach seine Schläfe
hinunter. »Also, was heißt ›lustig‹? Ich war mehr beruflich unterwegs.«
Er hatte so ein Hecheln in der Stimme, anscheinend war der innovative Sensationsreporter doch verklemmter als ich gedacht
hatte. Ich lächelte im Dunkeln und beschloss, ihn zu quälen.
»Wieso denn beruflich, Gisbert?«
»Wegen Recherche.« Er hustete trocken und wischte sich das feine Haar aus der Stirn.
»Aha.« Ich streckte ein Bein wieder aus. »Was hast du denn recherchiert?«
Sein Blick klebte an der Sanduhr, die neben der Tür hing. Ich überlegte kurz, ob ich einfach aufstehen und sie umdrehen sollte,
aber vermutlich würde er dann angesichts meines nackten Hinterns ohnmächtig werden, und auf dieses Theater konnte ich verzichten.
»Der Autor.«
Jetzt sprach er auch noch ins Handtuch, mit dem er sich das Gesicht abgewischt hatte und das ihn vor der Welt schützen sollte.
Ich hakte brutal nach: »Was meinst du damit? Du hast doch schon einen Artikel geschrieben. Jetzt ist Guntram Bernd privat
hier, der hat nichts mehr mit dir zu tun. Oder? Gisbert?«
Er würde gleich einen Krampf im Augenmuskel bekommen, so sehr zwang er seinen Blick in die mir abgewandte Richtung.
»Doch. Es gibt noch andere Dinge.«
»Welche denn?« Ich hätte ihn natürlich auch in Ruhe lassen können, damit er sich einfach hätte entspannen und seine Augen
schließen können. Aber nein, das gönnte ich ihm nicht.
»Tja, das ist
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