Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa
mich aber dagegen
entschieden. Mir war nichts eingefallen, was ich als Grund für einen erneuten Aufbruch hätte nennen können. Die Gefahr, dass
ich väterliche Begleitung bekäme, war zu groß.
Kurz vor meinem Ziel kam mir David Bruhn entgegen. An ihn hatte ich überhaupt nicht mehr gedacht, überrascht blieb ich stehen.
Er trug einen dicken Packen Zeitungen unter dem Arm und wirkte angestrengt.
»Sie sehen aus, als wenn Sie abreisen würden.«
Ich setzte die Tasche auf den Boden. »Das kann ich ja wohl schlecht.«
Er stand jetzt vor mir, ich hatte gestern gar nicht registriert, wie groß er war.
Und wie gut aussehend.
»Richtig. Sie sind ja auch nicht zum Spaß hier. Kann ich Ihnen tragen helfen? Ich gehe sowieso zurück ins Hotel, das ist doch
auch Ihre Richtung.«
Und wie höflich.
»Danke.« Das Gewicht der nassen Handtücher ignorierend, hievte ich die Tasche wieder hoch. »Ich muss noch etwas erledigen.«
Wenn Gisbert von Meyer und seine Andeutungen wirklich etwas mit Marleen zu tun haben sollten, musste ich sowieso David Bruhn
informieren. Aber das wollte ich jetzt noch nicht. Stattdessen tippte ich auf seine Zeitungen.
»Da haben Sie ja was zu tun. Gibt es eine, die Sie nicht gekauft haben?«
Er blieb ernst. »Ich suche in jeder Zeitung eine Meldung, in der die Begriffe ›Dubai‹ und ›Verschleppung‹ oder sonst etwas
auftauchen. Wenn ich nichts finde, bin ich erst erleichtert und dann enttäuscht. Dieses Warten macht mich ganz verrückt. Sie
haben auch nichts Neues gehört, oder?« Seine Frage klang fast resigniert.
»Nein.« Es war keine Lüge, ich hatte nichts Neues gehört, nur in meinem Kopf waren immer mehr Verschwörungstheorien und Vermutungen
entstanden. »Sobald ich etwas Konkretes weiß, sage ich es Ihnen. Wir wollten uns doch sowieso heute Abend treffen, ich habe
meiner Schwester schon Bescheid gegeben. Bleibt es dabei?«
»Ja, gern. Wollen Sie in den ›Seesteg‹ kommen? Ich lade Sie zum Essen ein.«
»Bloß nicht.« Erschrocken winkte ich ab. »Es muss uns ja keiner zusammensitzen sehen. Kommen Sie einfach zu uns.Um halb neun, dann sind meine Eltern und die Küchenhelfer weg. Sie können hintenherum gehen. Und man kann weder von der Pension
noch von der Bar den Eingang sehen.«
»Okay.« Er gab mir die Hand. »Dann bis später.«
Ich blickte ihm kurz nach, dann streckte ich den Rücken durch und machte mich auf in die Höhle des Frettchens.
Schon als ich auf dem engen dunklen Flur stand, hörte ich Gisbert aus einem der Büros.
»Und Sie sind sich ganz sicher, dass er das genau so gesagt hat?«
Er klang aufgeregt, sofort atmete ich flach und blieb stehen. Nach einem kurzen Moment Pause wurde seine Stimme noch lauter:
»Das ist ja ein Ding. Meine Güte. Und der heißt Bruhn?«
Mir wurde übel. Gisbert hatte mich noch nicht bemerkt.
»Und das ist der Anwalt? Ach so, der Bruder. Das gibt es ja gar nicht. Und er ist sich bei den Angaben ganz sicher? Also nicht,
dass er übertreibt. Dann stehe ich wie ein Blöder da. Ich sehe schon die Leserbriefe, so was kann ich mir nicht leisten. Ich
bin bekannt dafür, dass ich sehr genau recherchiere. Aber wenn alles stimmt, dann kommen die ins Guinessbuch. Das melde ich.«
Guinessbuch? Redete er schon von der Länge der Haftzeit in einem solchen Fall? Langsam bewegte ich mich rückwärts zur Tür.
»Also, vielen Dank für den Tipp. Ich rufe da mal an und frage, ob es ein Foto gibt. Das brauche ich. Und dann mal sehen. So,
jetzt muss ich weitermachen, ich habe hier einiges zu tun. Schönen Tag noch.«
Er wusste etwas. Ich ließ die Tür extra laut ins Schloss fallen und rief mit meiner muntersten Stimme: »Gisbert? Hallo, Gisbert?«
Sofort schoss er aus dem hintersten Büro. »Hier bin ich.Willkommen in der Schaltzentrale des Inseljournalismus. Komm rein, Tässchen Kaffee?«
Obwohl mein geschockter Magen noch rebellierte, nickte ich schwach und betrat sein Büro. Gisbert räumte einen Stuhl vor dem
Schreibtisch frei und bedeutete mir, Platz zu nehmen. Während er eine Tasse am Waschbecken in der Ecke des Zimmers spülte,
versuchte ich, über Kopf den Zettel zu entziffern, den er anscheinend gerade eben vollgekritzelt hatte. Außer dem Namen »Bruhn«
konnte ich nichts lesen.
»Sieh dich nur um.« Gisbert schrubbte die Tasse und trocknete sie anschließend mit einem faserigen Handtuch ab. »Du kennst
ja Zeitungsredaktionen, wahrscheinlich sieht es bei der ›Femmes‹ ähnlich aus. Kennst
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