Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa
auf. Bleib doch gelassen. Du kennst dich in der Pension ja noch einigermaßen aus, du hast schon mal ein
paar Wochen da gearbeitet. Die Küche ist ein Problem, das sehe ich auch so, aber dann versucht eben, für die Zeit einen Koch
einzustellen. Und Marleen hat doch Angestellte, oder nicht? Die kennen sich bestimmt auch aus. Ihr habt kein Grandhotel übernommen.
Wer arbeitet denn noch alles da?«
Jetzt hatte ich so schlechte Laune, dass ich kaum noch antworten konnte. »Gesa, Adelheid und der Typ aus der Bar.« Mein Ton
war unfreundlich und die Worte gezischt.
»Na also. Wenn ihr euch alle zusammensetzt, wird das schon klappen. Ich würde dir gerne helfen, aber vor übernächster Woche
kann ich hier nicht weg.«
Bis dahin wäre die Pension pleite, die Gäste entweder vergiftet, verhungert oder abgereist, die Belegschaft zerstrittenund ich als Amokläufer überregional berühmt. Was sollte Johann dann noch hier?
»Lass man«, meine Tonlage war jetzt wieder normal, »du brauchst uns nicht zu helfen, das ist ja alles überhaupt kein Problem,
wie du schon sagst. Kümmere dich einfach nicht drum, sondern mach dir eine schöne Zeit in Schweden, wir telefonieren vielleicht
mal.«
»Christine«, sein Seufzen war schwer, »ich verstehe nicht, dass du so gereizt bist. Wir streiten uns in fast jedem Telefonat,
das kann doch nicht sein. Was ist denn mit dir los? Und mit uns?«
In diesem Moment schob ein ausgesprochen schöner Mann sein Fahrrad am Haus vorbei in Richtung Bar. Dort schloss er es ab,
zog einen Schlüssel aus der Tasche und öffnete die Tür. Er verschwand im Haus, und ich sagte mit meiner sachlichsten Stimme:
»Johann, ich habe jetzt überhaupt keine Lust, mit dir über unsere Beziehung zu diskutieren, ich muss hier was tun. Ich melde
mich, bis bald.«
Ohne auf seine Reaktion zu warten und sogar ohne schlechtes Gewissen drückte ich ihn weg und stand auf.
Eigentlich wollte ich Gesa nur fragen, wie der Mann hieß, den Marleen für die Bar eingestellt hatte. Dazu gab es aber keine
Gelegenheit. Ines schnitt mir den Weg in die Küche ab und deutete auf den Haupteingang.
»Vor der Rezeption stehen zwei neue Gäste, sie sind gerade mit dem Taxi vom Hafen gekommen. Ich habe keine Ahnung, wo hier
überhaupt die Zimmer sind. Von den zugehörigen Schlüsseln ganz zu schweigen.«
Ich machte auf dem Absatz kehrt und ging zum Empfang. Der Mann war Anfang dreißig, gut aussehend, sportlich, Dreitagebart,
der Typ, der auch für Unterwäsche modeln könnte. Er hatte große Ähnlichkeit mit der Frau neben ihm. Sie sah sehr gut aus für
ihr Alter, vermutlich Anfang fünfzig, kastanienfarbene Tönung, sehr schlank, teuer und geschmackvoll angezogen. Kein Wunder,
dass der Sohn so hübsch war, die Mutter hatte gute Gene. Ich lächelte die beiden betont selbstsicher an.
»Herzlich willkommen, Frau ähm …«
Das Reservierungsbuch lag zwar wieder an seinem Platz, ich fand aber nicht sofort die richtige Seite und fing hektisch an
zu blättern.
»Eleonore Stehler. Ist die Chefin nicht da?« Sie hatte eine sehr angenehme Stimme, lehnte sich an den Tresen, sodass ich ihr
teures Parfüm riechen konnte. »Ich hatte mit ihr so nett telefoniert.«
»Nein«, ich hatte ihren Namen jetzt endlich im Buch gefunden. Sie sollte Zimmer 10 bekommen. »Frau de Vries istnoch im Urlaub. Ich mache ihre Vertretung, mein Name ist Christine Schmidt.«
Mit dem Finger suchte ich weiter die Namensliste ab. Frau Stehler beugte sich vor und tippte mit ihrem manikürten Zeigefinger
auf ihren Namen.
»Da bin ich doch. Zimmer 10, das sehe ich von hier. Also, bitte.«
»Ja, schon«, ohne den Blick vom Buch zu heben zog ich die Schublade auf, in der die Zimmerschlüssel lagen. »Ich finde aber
nur ein Zimmer. Entschuldigen Sie, Herr Stehler, haben Sie auch ein bestimmtes Zimmer vorbestellt?«
»Ich heiße nicht Stehler.« Seine Stimme klang gelangweilt, half mir aber nicht weiter.
Ich gab nicht auf: »Wie ist denn Ihr …«
»Ich habe keine zwei Zimmer bestellt. Ein Doppelzimmer, die Nummer 10, das habe ich doch gerade gesagt.« Frau Stehlers angenehme
Stimme war plötzlich eisig.
»Wird das denn heute noch etwas?«
»Ja, natürlich«, beeilte ich mich zu sagen, während ich den Schlüssel glücklicherweise sofort fand, »hier, bitte schön. Es
steht aber nur ein Bett im Zimmer, das wissen Sie, oder?«
Ihr frostiger Blick bohrte sich in mein Gehirn, das endlich anfing zu arbeiten. Sie griff nach dem
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