Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa
Schlüssel und ging zur
Treppe, das Unterwäschemodel, das nicht Stehler hieß, sah mich rot werden und sagte im Vorbeigehen: »Bringen Sie uns den Koffer
gleich hoch, die Taschen nehme ich selbst.«
Ich wartete, bis beide verschwunden waren, dann ließ ich mich auf den Hocker sinken und spürte den Drang, dreimal mit der
Stirn auf die Tischplatte zu hämmern.
»Alles klar?« Gesa war plötzlich neben mir und schaute mir über die Schulter. »Das ist doch alles hier noch so wie im letzten
Sommer, da findest du dich zurecht, oder? Ach, sind die Gäste aus der 10 schon da?«
»Ja. Gerade eben.« Meine Antwort kam gepresst.
Gesa sah mich an. »Was war los?«
»Ich dachte, es seien Mutter und Sohn.«
»Waren sie’s nicht?« Gesa fing an zu kichern, »Fettnapf?«
»Und wie. Sie ist locker zwanzig Jahre älter, und der Typ sieht ihr sogar ähnlich. Woher soll ich das denn wissen? Ich habe
auch noch ›Herr Stehler‹ zu ihm gesagt.«
Gesa biss sich auf die Unterlippe, um ihr Kichern einzudämmen. »Sie wird dich jetzt hassen. Nimm es sportlich und stell ihr
eine Flasche Champagner aufs Zimmer. Vielleicht nützt es was. Aber jetzt müssen wir in die Küche und mit dem Essen anfangen.
Ich habe nur die Spülmaschinen ausgeräumt, für den Rest brauche ich Hilfe.«
»Könntest du denen vorher noch den Koffer hochbringen? Ich traue mich jetzt nicht.«
»Klar.« Gesa ging um den Tresen herum und griff nach dem Gepäck. »Ach, übrigens, Pierre ist schon da, der Barmann, der muss
euch auch noch kennenlernen.«
»Ist er verschwiegen?«
Gesa drehte sich an der Treppe zu mir um. »Nein. Pierre ist ein schwuler Barkeeper und neben Gisbert die größte Klatschtante
auf der Insel. Wir nehmen die Geschichte, die Gisbert von Meyer auch geglaubt hat. Bis gleich.«
»Das ist der Rest.« Schwungvoll kam Ines mit einem mit schmutzigem Geschirr beladenen Tablett in die Küche und stellte es
neben die Spüle. »Die letzten Gäste sind auch gegangen.« Sie schwang sich auf die Arbeitsplatte und ließ ihre Beine baumeln.
»Jetzt möchte ich ein Feierabendbier.«
Ich sah nur kurz hoch und deutete mit dem Kopf auf die Spüle. »Bleibt das da jetzt stehen?« Ich nahm das nächste Messer, um
es zu polieren.
»Wieso?« Ines sah von mir zu Gesa. »Was meint sie?«
»Du kannst es doch gleich in die Spülmaschine räumen. Die ist leer. Und Gesa hat schon lange Feierabend.«
»Schon gut.« Gesa wischte den Tisch ab und spülte den Lappen aus. »Wir wollten doch das Feierabendbier bei Pierre trinken.
Ich komme noch mit. Nach dieser ganzen Aufregung kann ich sowieso nicht schlafen.«
»Sehr gute Idee!« Ines schlenkerte immer noch mit den Beinen.
Ich war mit dem Besteck fertig und legte das letzte Messer auf ein sauberes Tablett. »Ines, die Spülmaschine!«
»Ich habe zu viel Durst.«
»Komm, beweg deinen Hintern, wir müssen auch noch die Frühstückstische eindecken.«
»Das können wir doch hinterher …«
»Nein.« Ich ging so dicht an ihr vorbei, dass das schwere Tablett an ihr Knie schlug.
»Aua, was machst du denn?«
»Du sitzt im Weg rum. Die Spülmaschine! Ich decke die Tische.«
Als die Tür hinter mir zuschwang, hörte ich, wie Gesa tröstend sagte: »Ich hab auch eine große Schwester. Es ist manchmal
nervig. Komm, ich helfe dir schnell.«
Ich wälzte mich auf die Seite und sah auf den Wecker. 0.45 Uhr. Und ich war immer noch hellwach. Auf dem Bauch liegend, hatte ich sofort wieder die Bilder vor Augen. Den Gastraum der
Pension voller Gäste, die blitzblanke Küche mit all diesen Profigeräten und großen Töpfen, Gesa, die Teller um Teller in die
Schränke räumte, Pierre, der uns mit blitzenden Augen einen schwachsinnigen Vorschlag nach dem anderen machte, und meine Schwester,
die mit den Beinen baumelte und gut gelaunt Bier aus der Flasche trank. Und Johanns Stimme auf der Mailbox, als ich ihn vorhin
noch mal angerufen hatte. Nie war er erreichbar, wenn ich ihn brauchte.
In meinem Kopf ging alles durcheinander. Es hatte überhaupt keinen Zweck, ich stand auf, kramte in meiner Reisetasche, die
ich noch nicht mal ausgepackt hatte, nach meinem Bademantel, ging auf Zehenspitzen in die Küche, schloss leise die Tür und
schenkte mir ein Glas Rotwein ein. Die Fensterbank war so breit, dass man bequem darauf sitzen konnte, ich zog meine Beine
an, lehnte den Kopf an die Scheibe und hörte das Meeresrauschen.
Nachdem die Geschirrspülmaschine eingeräumt und
Weitere Kostenlose Bücher