Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa
können. Es war illusorisch. Meine Schwester und ich würden weder
mit Limandesfilet noch mit Lammnüsschen und schon gar nicht mit Scampipfannen fertigwerden. Bis auf den Kuchen und einen Teil
der Vorspeisen, die wir vielleicht für zwanzig Leute hinbekommen könnten, war es naiv zu glauben, dass wir das ganze Unternehmen
und vor allem die Küche allein in den Griff bekommen. Wir mussten Adelheid irgendwie überreden. Ohne ihr die Wahrheit zu sagen.
Vielleicht könnte sie statt vormittags einfach nachmittags arbeiten. Anstelle des Frühstücks das Abendessen zubereiten. Das
wäre doch die Lösung. Ich würde nachher mit Ines und Gesa darüber reden.
Mein Handy vibrierte in der Jackentasche. Es war Johann. Endlich einmal.
»Na? Wie habt ihr euch bislang geschlagen?«
Seine Stimme tat mir gut, ich holte Luft und fing an zu erzählen: von Adelheid und ihrem Gewinn, von Gesa und meiner Schwester,
vom Frühstückschaos, von Frau Stehler und ihrem jugendlichen Liebhaber, von Pierre und schließlich von Kühlke.
Johann fragte nicht nach, kommentierte nichts, sagte nach einer Pause lediglich: »Passt wirklich auf, dass die Presse keinen
Wind von Marleens Dilemma bekommt. Ich sehe schon die Schlagzeilen: ›Norderneyerin in Dubai verhaftet – Drogenschmuggel oder
Entführung?‹ Das ist ein gefundenes Fressen für die Zeitungsgeier.«
»Unsinn. Woher soll das jemand wissen? Wir haben doch keine Ahnung, was los ist. Vermutlich ist irgendetwas mit dem Visum
nicht in Ordnung, was weiß ich denn?«
»Das ist der Presse egal. Die dichten sich ihre eigenen Geschichten.«
Ich wurde langsam schlecht gelaunt.
»Hast du überhaupt zugehört, was ich dir alles erzählt habe?«
»Ja klar«, antwortete er, »du musst dich aber mal auf die wesentlichen Dinge konzentrieren. Wichtig ist doch nur, dass ihr
versucht, Marleen zu decken, nichts an die Presse weiterzugeben und die Pension einigermaßen am Laufen zu halten. Und dazu
braucht ihr übrigens dringend einen Koch. Ich würde mal beim Arbeitsamt anrufen. Oder in anderen Hotels nachfragen, ob die
euch einen abstellen können.«
»Super Idee. Und welche Gründe sollen wir nennen, warum wir einen brauchen? Und wie lange?«
»Gar keine. Das geht doch niemanden etwas an. Und über die Dauer kann man sich ja noch Gedanken machen. Erst mal bis auf weiteres.
Die Geschichte in Dubai wird sich sowieso nicht innerhalb der nächsten Woche klären. Das kann dauern. Und deine Schwester
und du, ihr kriegt das mit dem Kochen nicht hin.«
Genau das erwartete ich von meinem Freund. Einen unerschütterlichen Glauben an mich, Trost, Hoffnung und das bereitwillige
Angebot seiner Hilfe. Aber nichts davon passierte hier. Nur kluge Ratschläge. Meine Schwester hatte vor einiger Zeit mal gesagt,
Johann ginge ihr mit seiner sachlichenGutmenschart manchmal wahnsinnig auf die Nerven: »Er weiß immer alles, er versteht immer alles, und er löst immer alles. Grauenhaft!«
Sie hatte ein paar Bier getrunken und am nächsten Tag ihr Urteil revidiert, aber hieß es nicht, Betrunkene und Kinder sagen
die Wahrheit?
Und im Moment pflichtete ich ihr hundertprozentig bei. Er ging mir auf die Nerven. Und wie!
»Aha. Wir kriegen das also deiner Meinung nach nicht hin. Das werden wir ja sehen. Ich muss jetzt bezahlen und los, das Abendessen
vorbereiten. Also dann, schönen Abend.«
»Christine, das ist eine Schnapsidee. Holt euch Hilfe für die Pension. Das geht nicht anders.«
»Ja, ja. Mach’s gut.«
Ich drückte die rote Taste und sagte leise ein unflätiges Wort.
»Chrissie«, die Stimme schrillte so laut über die Terrasse, dass sich fast alle Gäste umsahen, »meine Lieblingsvertretung,
komm Jurek, ich stell dir unsere neue Chefin vor.«
Pierre sah in seinen weißen Bermudas und in seinem giftgrünen Polohemd aus, als sei er gerade einer Anzeige für Männermode
entsprungen. Er stand neben einem jungen, schlanken, dunkelhaarigen Mann, der mich mit freundlichen Augen durch eine Sonnenbrille
musterte und mir umständlich die Hand gab.
»Ich bin Jurek. Hallo. Ich arbeite auch für Marleen.«
»Er ist unser Hausmeister, macht die Technik, die Musik und hilft abends am Tresen, sozusagen unsere Allzweckwaffe.« Pierre
winkte mehreren Leuten zu, bevor er sich neben mich in den Strandkorb setzte. »Jetzt setz dich schon hin, Jurek, Chrissie
beißt doch nicht. Ach ist das nett, dass wir uns treffen, was machst du eigentlich hier? Noch ein
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